Leitsatz (amtlich)
Wird der Rücknahmeschriftsatz dem Beklagten erst zugestellt, nachdem dieser auf Grund der früheren Zustellung der Klage einen Prozessauftrag erteilt hat, so ist von diesem Rechtsanwalt die volle Prozessgebühr der §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 BRAGO verdient worden, wenn er vor der Rücknahmemitteilung einen Schriftsatz i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO eingereicht hat.
Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Aktenzeichen 22 F 1427/01) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Halle-Saalkreis vom 29.8.2002 in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 2.10.2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 224 Euro.
Gründe
Die gem. §§ 104, Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten festgesetzt worden ist, ist unbegründet. Die in dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Prozessgebühr für den Bevollmächtigten der Beklagten ist gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstanden, so dass der Kläger auf Grund der Klagerücknahme und der hieraus resultierenden Kostengrundentscheidung des AG auch diese Gebühr tragen muss. Dass die Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 23.8.2001 vor der Verteidigungsanzeige des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei Gericht eingegangen ist, ändert an der Entstehung der Prozessgebühr nichts. Die Übersendung der Klagerücknahme wurde ausweislich der Gerichtsakte erst am 27.8.2001 verfügt. Da sich zu diesem Zeitpunkt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten noch nicht bestellt hatte, ist die Absendung am 28.8.2001, wiederum aus der Prozessakte ersichtlich, an die Beklagte persönlich abgesandt worden. Am gleichen Tag ist die auf Grund einer Vollmacht der Beklagten vom 14.8.2001 gefertigte Verteidigungsanzeige mit einer Klageerwiderung sowie einem Abweisungsantrag bei Gericht eingegangen. Das heißt, weder zum Zeitpunkt der Fertigung der Verteidigungsanzeige und der Klageerwiderung, noch als diese bei Gericht einging, hatte die Beklagte von der Klagerücknahme Kenntnis. Wird jedoch der Rücknahmeschriftsatz dem Beklagten erst zugestellt, nachdem dieser auf Grund der früheren Zustellung der Klage einen Prozessauftrag erteilt hat, so ist von diesem Rechtsanwalt die volle Prozessgebühr der §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 S. 2 BGAGO verdient worden, wenn er vor der Rücknahmemitteilung einen Schriftsatz i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO eingereicht hat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 31 Rz 35; § 32 Rz. 34). So liegt der Fall hier. Die entstandene Prozessgebühr ist hier auch erstattungsfähig. Maßstab bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit ist die Beantwortung der Frage, ob die verlangten Kosten zweckentsprechend und notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 ZPO waren. Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Partei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 ZPO Rz. 12). Hier war der Beklagten die Klage gem. § 253 ZPO zugestellt, eine Reaktion in Form eines Erwiderungsschriftsatzes mit einem Abweisungsantrag insoweit grundsätzlich sachdienlich und damit zweckentsprechend. Da weder der Beklagten persönlich, noch dem Bevollmächtigten der Beklagten die nach Rechtshängigkeit erklärte Klagerücknahme bekannt waren, bestand auch kein Anlass, mit der Erwiderung zuzuwarten. Insoweit ist auch nicht entscheidungserheblich, ob zwischen der Beklagten persönlich und dem Bevollmächtigten des Klägers Verhandlungen stattgefunden haben. Eine Klagerücknahme für den Fall der Einigung ist der Beklagten nach dem Vortrag des Klägers nicht angeboten worden, lediglich eine Erledigungserklärung war im Gespräch. Die Beklagte konnte also bis zu dem Zeitpunkt in dem sie von der Klagerücknahme Kenntnis erhielt, davon ausgehen, dass selbst für den Fall einer Einigung eine Klageerwiderung oder die Stellung eines Kostenantrages im Rahmen eine Verfahrens nach § 91a ZPO durch ihren Bevollmächtigten notwendig sein würde.
gez. Wiedenlübbert gez. Bisping gez. Hellriegel
Fundstellen
Haufe-Index 1108962 |
JurBüro 2003, 419 |
EzFamR aktuell 2003, 110 |
EzFamR aktuell 2003, 155 |
AGS 2003, 324 |
KammerForum 2003, 410 |