Leitsatz (amtlich)
Wird die für die Gewährung einer besonderen Zuwendung erforderliche Dauer einer rechtstaatswidrigen Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens 180 Tagen gemäß § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG geringfügig (hier: um zwei Tage) unterschritten, weil die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung ausgesetzt worden war, kann das eine Anwendung der Härteregelung des § 19 StrRehaG in der Fassung durch das Vierte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 2. Dezember 2010 (BGBl. I 1744) begründen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 01.11.2011; Aktenzeichen 12 Reh 152/11 (B)) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Halle vom 1. November 2011 teilweise abgeändert.
2. Die Beschlusspunkte 2 und 3 des Beschlusses vom 1. November 2011 entfallen. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag des Antragstellers vom 14. Januar 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.
3. Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
4. Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben. Die Landeskasse trägt die notwendigen Auslagen des Antragstellers.
Gründe
I. Der Antragsteller wurde im Jahre 1997 wegen seiner Verurteilung durch das Militärgericht Halle vom 23. Juni 1982 teilweise rehabilitiert (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG) und die zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung für den Zeitraum vom 1. Mai 1983 bis 25. Oktober 1983 festgestellt. Ein vom Antragsteller im Jahre 2007 angebrachter Antrag auf Gewährung der besonderen Zuwendung nach § 17a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) wurde rechtskräftig abgelehnt, weil er weniger als sechs Monate Haft zu Unrecht verbüßt hatte (§ 17a Abs. 1 StrRehaG in der Fassung durch das Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 21. August 2007, BGBl. I 2118).
Am 14. Januar 2011 hat der Antragsteller erneut die besondere Zuwendung beantragt. Der Antragsgegner lehnte dies mit Bescheid vom 25. August 2011 (Az.: 37/01 - 0419 StrRehaG-OP) ab, weil der Antragsteller weniger als 180 Tage Haft verbüßt hatte. Nach Ansicht des Antragsgegners ist die Härteregelung des § 19 StrRehaG unanwendbar, weil die vorzeitige Entlassung nicht durch die Strafvollzugseinrichtung verfügt, sondern die Strafvollstreckung auf Antrag der Militärstaatsanwaltschaft durch Beschluss des Militärgerichts Halle zur Bewährung ausgesetzt worden war. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Beschluss des Landgerichts und den Bescheid des Antragsgegners Bezug genommen.
Auf den Antrag des Antragstellers hat die Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Halle den Bescheid des Antragsgegners mit Beschluss vom 1. November 2011 [Anm. des Senats: Lediglich die Ausfertigung trägt als Datum den 14. Oktober 2011] aufgehoben, festgestellt, dass der Antragsteller eine mit den wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung erlitten habe, die mit 180 Tagen zu bemessen sei, und die Sache zur Neubescheidung an den Antragsgegner zurückverwiesen.
Mit seiner form- und fristgemäß eingelegten Beschwerde, mit der er seine Rechtsansicht weiter vertieft, erstrebt der Antragsgegner die Wiederherstellung seines Bescheides.
II. Die gemäß §§ 13 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 4 StrRehaG, 306 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt im Wesentlichen erfolglos.
1. Mit der zum 9. Dezember 2010 in Kraft getretenen Änderung von § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG durch das Vierte Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 2. Dezember 2010 (BGBl. I 1744) erhalten Haftopfer, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, auf Antrag eine monatliche besondere Zuwendung, wenn sie zu Unrecht eine Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens 180 Tagen erlitten haben. Diese erforderliche Haftdauer von mindestens 180 Tagen erfüllt der Antragsteller nicht.
a) Die Berechung der Haftdauer im Sinne von § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG hat taggenau durch Addition der tatsächlich verbüßten Hafttage zu erfolgen. Zwar erhält auch die geltende Regelung keine unmittelbaren Vorgaben, wie die Dauer zu berechnen ist. Nach der Änderung von § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG ist allerdings für eine Anwendung von § 191 BGB (vgl. aus der Rspr. zu § 17a Abs. 1 StrRehaG a.F.: OLG Naumburg OLGSt StrRehaG § 17a Nr. 1; KG ZOV 2010, 90; OVG Lüneburg NdsRpfl 2009, 258-260; OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Januar 2010, 3 A 325/09, juris Rn. 40 ff.; jeweils m.w.N.) aufgrund der nunmehr eindeutigen gesetzlichen Regelung kein Raum.
Schon der Wortlaut von § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG steht einer Anwendung von § 191 BGB entgegen, weil § 191 BGB einen nach Monaten zu bemessenden Zeitraum voraussetzt, wie es lediglich nach der bis zum 8. Dezember 2010 geltenden Gesetzesfass...