Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der während der laufenden Hauptverhandlung beantragten Akteneinsicht ist gemäß § 305 Satz 1 StPO unzulässig, da die Akteneinsicht die Vorbereitung der Verteidigung auf die anstehende Vernehmung eines Zeugen bezweckte und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der durchgeführten Beweisaufnahme stand. Gleiches gilt für die Beschwerde gegen die Ablehnung der - in Verbindung mit dem Akteneinsichtsgesuch gestellten - Anträge der Verteidigung auf Unterbrechung bzw. Aussetzung der Hauptverhandlung durch das erkennende Gericht.
Normenkette
StPO § 305 S. 1
Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 09.09.2009; Aktenzeichen 501 KLs 5/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den als Anlage 7 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 9. September 2009 (501 KLs 5/09) genommenen Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Stendal wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. September 2009 hat der Angeklagte "die Gewährung der vollständigen Akteneinsicht durch Übersendung (zumindest einer Kopie) der DVD mit den Videoaufzeichnungen der Aussage des Zeugen Z. und bis zur Einsicht in die DVD und einer angemessenen Zeit zur Sichtung der DVD die geräumige Unterbrechung des Verfahrens, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens" beantragt.
Mit als Anlage 7 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 9. September 2009 (501 KLs 5/09) genommenem Beschluss hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Stendal in laufender Hauptverhandlung den Antrag des Angeklagten zurückgewiesen.
Hierauf hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung am 9. September 2009 zu Protokoll erklärt, er lege gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.
Die Kammer hat mit als Anlage 2 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 11. September 2009 genommenem Beschluss der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die gegen die abgelehnte Akteneinsicht (durch Übersendung der oben bezeichneten DVD) eingelegte Beschwerde ist unzulässig gemäß § 305 S. 1 StPO.
Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde. Entsprechend dem Gesetzeszweck des § 305 S. 1 StPO, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, wenn Entscheidungen des erkennenden Gerichts sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 305 Rz. 1), ist der Ausschluss der Beschwerde dabei auf solche Fälle beschränkt, in denen die betreffende Entscheidung der Urteilsvorbereitung dient, bei der Urteilsfällung der nochmaligen Überprüfung unterliegt und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden kann (OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 374).
So liegt der Fall bei der hier ergangenen Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch. Denn bereits aus der Formulierung des Gesuchs ergibt sich eindeutig, dass die beantragte Akteneinsicht die Vorbereitung der Verteidigung auf die anstehende Vernehmung des Zeugen Z. bezweckte und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der durchgeführten Beweisaufnahme stand, welche ihrerseits zweifellos der Urteilsvorbereitung diente.
Unabhängig davon besteht bei der Ablehnung eines Akteneinsichtsgesuches generell die Gefahr, dass durch die Vorenthaltung von Aktenwissen die Verteidigung des Angeklagten unzulässig beschränkt wird. Daher muss das erkennende Gericht schon aufgrund seiner Verantwortung für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens eine solche Entscheidung vor der Urteilsfällung nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Eine Überprüfung der ablehnenden Entscheidung findet zudem (nach Erhebung einer entsprechenden Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 8 StPO) auch durch das Revisionsgericht statt (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 338 Rz. 58 ff.).
Da somit die Zulassung der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Akteneinsichtsgesuchs durch das erkennende Gericht i.S.v. § 305 S. 1 StPO weder dem Gesetzeszweck des § 305 S. 1 StPO entspricht noch aus sonstigen Gründen geboten ist, teilt der Senat die von mehreren Oberlandesgerichten vertretene Auffassung der Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels in einem solchen Fall (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Koblenz StV 2003, 608; OLG Hamm NStZ 2005, 226).
2.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der (in Verbindung mit dem oben genannten Akteneinsichtsgesuch gestellten) Anträge der Verteidigung auf Unterbrechung bzw. Aussetzung der Hauptverhandlung durch das erkennende Gericht wendet, war sie ebenfalls als unzulässig gemäß § 305 S. 1 StPO zu verwerfen.
Denn die in der Ablehnung der beantragten Unterbrechung bzw. Aussetzung spiegelbildlich enthaltene Entscheidung auf Fortsetzung des Verfahrens dient zweifelsohne der Urteilsvorbereitung. Überdies kann eine solche Entscheidung unter bestimmten Umständen die Verteidigung in unzulässiger Weise beschränken, was nicht nur durch das erkennende Gericht vor der Urteilsfällung zu bedenken ist, s...