Entscheidungsstichwort (Thema)

Trink- und Abwasserleitungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auslegung der Vergabebekanntmachung hinsichtlich der formellen Anforderungen an den Nachweis der Eignung (geforderte Eignungsnachweise) ist regelmäßig "im Lichte" der inhaltlichen Eignungsanforderungen vorzunehmen.

2. Ohne besondere entgegenstehende Anhaltspunkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass es bei einer Bietergemeinschaft ausreichend ist, wenn geforderte Nachweise oder Eigenerklärungen zur Fachkunde oder zur Leistungsfähigkeit für ein Mitglied der Bietergemeinschaft vorgelegt werden, während die Zuverlässigkeit von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft in der geforderten Art zu belegen ist.

3. Der Vereinbarung einer Bietergemeinschaft ist immanent, dass die Gemeinschaft über die Kapazitäten ihrer einzelnen Mitglieder tatsächlich verfügen kann. Eines besonderen Nachweises i.S.v. § 8a Nr. 10 VOB/A bedarf es nicht.

 

Verfahrensgang

1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 11.01.2007; Aktenzeichen 1 VK LVwA 41/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 11.1.2007, 1 VK LVwA 41/06, aufgehoben.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin zu tragen. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) werden auf 3.219,88 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beigeladenen haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung weiterer außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 65.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die von der Stadt H. beherrscht wird, schrieb im August 2006 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2004 - zur Vergabe aus.

In der Bekanntmachung der Ausschreibung sind als Teilnahmebedingungen für Bieter in Abschn. III. 2.1) zunächst allgemein "Eignungsnachweise nach VOB/A § 8 Nr. 3" aufgeführt. In Abschn. III.2.3) Technische Leistungsfähigkeit sind im Einzelnen u.a. gefordert: "... Angaben über die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Berufsgruppen ..." sowie "... Angaben über die für die Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung stehenden und vorgesehenen technischen Geräte und Ausrüstung". Für Bietergemeinschaften wird weiter vorgegeben, dass sie gesamtschuldnerisch haftend sein und einen bevollmächtigten Vertreter benennen sollen (Abschn. III.1.3). Als Ausführungsfrist für den Auftrag war ursprünglich der Zeitraum vom 2.1.-31.7.2007 vorgesehen.

Die Verdingungsunterlagen enthalten in den Bewerbungsbedingungen, dort Ziff. 6, eine Regelung zu Bietergemeinschaften. Darin heißt es, dass die Bietergemeinschaft mit ihrem Angebot eine von allen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung vorgegebenen Inhalts abzugeben habe. Unter Ziff. 7 dieser Bewerbungsbedingungen ist für Eignungsnachweise für andere Unternehmen gefordert, dass der Bieter, der sich bei der Erfüllung des Auftrags der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen will, dem Auftraggeber hinsichtlich seiner eigenen Eignung nachzuweisen hat, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.

Die Beigeladene hat ein Hauptangebot und mehrere Nebenangebote in Form unselbständiger Änderungsvorschläge innerhalb der Angebotsfrist abgegeben. Dem Angebot der Beigeladenen waren sämtliche geforderten Eignungsnachweise für die St. AG beigefügt; für die R. GmbH fehlten Angaben über die jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte - gegliedert nach Berufsgruppen - der letzten drei Geschäftsjahre (es waren lediglich einige Angaben zu den aktuellen Beschäftigungszahlen enthalten) sowie Angaben zur technischen Ausrüstung. Die Antragsgegnerin bewertete das Angebot der Beigeladenen als vollständig. Ausweislich ihres Vergabevermerks vom 24.11.2006 beabsichtigte die Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen einschließlich der angebotenen Änderungen zu erteilen.

Im Rahmen eines von der Antragstellerin geführten Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Wiederholung der Wertung wurde die Beigeladene beteiligt. Die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 11.1.2007 stattgegeben und in den Gründen ihrer Entscheidung u.a. die Rechtsauffassung geäußert, dass das Angebot der Beigeladenen zwingend aus der Wertung auszuschließen sei, weil es die geforderten Eignungsnachwe...

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