Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages unter dem Gesichtspunkt der rechtzeitigen Verfahrenseinleitung während des noch laufenden Vergabeverfahrens ist allein der Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei der Vergabekammer maßgeblich, nicht hingegen ein konkretes Tätigwerden der Vergabekammer.

2. Verlangt der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen neben der Ausfüllung des Leistungsverzeichnisses zugleich eine technische Beschreibung der angebotenen Anlagen (hier: Grundwasser-Sanierungsanlagen), so ist das Hauptangebot eines Bieters, welches allenfalls Rückschlüsse auf das angebotene technologische Verfahren zulässt, nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.

3. Änderungsvorschläge können regelmäßig nur in die weitere Wertung einbezogen werden, wenn das Hauptangebot, auf welches sie sich beziehen, den formalen Anforderungen genügt, die Gegenstand der Prüfung in der ersten Wertungsstufe sind.

4. Wegen der regelmäßig besonderen rechtlichen Schwierigkeiten des in Gestalt des 4. Teils des GWB neuartigen Vergaberechts muss sich ein Beteiligter eines Nachprüfungsverfahrens bei der Auswahl seines Rechtsbeistandes grundsätzlich nicht auf einen lokal ansässigen Rechtsanwalt beschränken, sondern darf im Bestreben um Mandatierung eines mit dem Vergaberecht vertrauten Rechtsanwalts auch die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts für erforderlich erachten.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle vom 22.10.2001, Geschäftszeichen: VK Hal 08/00, unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird verworfen, soweit er sich gegen die Vergabe des Auftrages zu Los 4–1 richtet.

Im Übrigen wird festgestellt, dass die Zuschlagserteilung für die Lose 1, 2, 3 und 4–2 rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie diejenigen des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu 20 % und die Antragsgegnerin zu 80 % zu tragen.

Die Hinzuziehung eines – auswärtigen – Rechtsanwalts sowohl durch die Antragstellerin als auch durch die Antragsgegnerin war jeweils notwendig.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 65.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Stadt H. hatte von der Bundesrepublik Deutschland einen Teil eines ehemals von der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland militärisch genutzten Garnisonsgeländes „He.” erworben und beabsichtigte die städtebauliche Entwicklung dieses Gebietes i.S. einer Maßnahme nach § 165 BauGB. Teil der vorgesehenen Entwicklungsmaßnahme war u.a. auch die bauliche Herstellung von Anlagen zur Grundwassersanierung einschließlich des nachfolgenden Betriebs dieser Anlagen.

Mit Vertrag vom 4./8.8.1995 übertrug die Stadt H. die Vorbereitung und Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme einschließlich der Bewirtschaftung der zu schaffenden Anlagen treuhänderisch auf die W. GmbH als Entwicklungsträger i.S.v. § 167 BaußB (künftig: der Entwicklungsträger). Nach § 2 Nr. 7 des Vertrages war der Entwicklungsträger befugt, ihm übertragene Aufgaben – darunter lt. § 3 Nr. 2.2.9. 2. des Vertrages auch die Ausschreibung, Submission, Vergabe und Überwachung der Arbeiten zur Herstellung von Erschließungsanlagen – auf Dritte zu übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (vgl. Anlage 22, GA Bd. II Bl. 28 bis 46) Bezug genommen.

Im August 1999 schrieb der Entwicklungsträger im Treuhandauftrag der Stadt H. die Vergabe der Sanierung von kontaminiertem Grundwasser im 2. Bauabschnitt auf der ehemaligen WGT-Liegenschaft He.-Süd in H. im Wege der Öffentlichen Ausschreibung EU-weit auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) aus.

Der Auftrag war in fünf Lose aufgeteilt (Lose 1, 2, 3, 4–1 und 4–2) und umfasste neben der baulichen Herstellung der Anlagen zur Grundwassersanierung auf vier voneinander unabhängigen Teilflächen auch die Durchführung des jeweils angebotenen Sanierungsverfahrens über sechs Jahre hinweg unter Vorgabe von verfahrensunabhängigen Sanierungszielwerten für die Medien Boden und Grundwasser. Nach der Bekanntmachung der Ausschreibung waren Angebote jeweils für die Gesamtmaßnahme einzureichen, der Entwicklungsträger behielt sich jedoch eine Vergabe einzelner Lose ausdrücklich vor.

Hinsichtlich der geforderten Angebotsunterlagen ist unter Ziff. 7 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ausgeführt, dass das Angebotsformular mit der Urkalkulation und den ausgefüllten Leistungsverzeichnissen/Einheitspreislisten einzureichen ist, der Bieter jedoch ein Schreiben mit Anmerkungen, Alternativen etc. beifügen kann.

Im Leistungsverzeichnis ist in den einzelnen Losen jeweils unter Titel 3 „Bauleistungen” u.a. Folgendes ausgeführt:

„Entsprechend der Verfahrenswahl … sind durch den Bieter Art und Anzahl d...

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