Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe von Versicherungsleistungen, dass der führende Versicherer eines mitbietenden Konsortiums - abweichend von branchenüblichen Gepflogenheiten - eine gesamtschuldnerische Haftung für die Leistungspflichten des Konsortialpartners übernimmt, so ist er im Rahmen der Wertung an diese Bedingung gebunden und muss die Angebote von Konsortien ohne eine entsprechende Erklärung nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ausschließen.

2. Aus § 9a VOL/A folgt bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung, dass sich der öffentliche Auftraggeber, wenn er eine Gewichtung der zur Anwendung vorgesehenen Zuschlagskriterien bereits vorgenommen hat, nicht darauf beschränken darf, diese Kriterien in der Vergabebekanntmachung bzw.den Verdingungsunterlagen lediglich zu benennen, sondern dass er den Bietern außerdem die vorgesehene Gewichtung mitteilen muss.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer beim Regierungspräsidium Magdeburg (Beschluss vom 22.12.2003; Aktenzeichen VK-MD 19/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Magdeburg vom 22.12.2003, VK MD 19/03, aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu wiederholen.

2. Im Rahmen der Wiederholung der Wertung sind das Haupt- und die Nebenangebote der Beigeladenen zu 1) auszuschließen.

3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

4. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf 2.700,00 Euro festgesetzt.

5. Im Verfahren vor der Vergabekammer war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sowohl für die Antragstellerin als auch für den Antragsgegner notwendig.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen Antragstellerin und Antragsgegner gegeneinander aufgehoben. Etwaige Auslagen der Beigeladenen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner, eine kommunale Gebietskörperschaft, schrieb im August 2003 die Vergabe von Sachversicherungsleistungen, beginnend ab dem 1.1.2004, EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftrag wurde in zwei Lose unterteilt, wobei Los 1 die "Gebäude-/Inhalts- und Elektronikversicherung" und Los 2 die "Ausstellungsversicherung" umfasst. Bevorzugt ist eine Auftragserteilung für vier Jahre, vorbehalten ist jedoch auch eine Vergabe des Auftrags für eine Laufzeit von nur einem Jahr. Das bevorzugte Auftragsvolumen überschreitet 200.000 Euro bei weitem.

Die Auftragserteilung soll an das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung des Preises (also der Prämienhöhe) und des Leistungsumfanges (d.h.des Umfanges des angebotenen Versicherungsschutzes) - Rangfolge der beiden Zuschlagskriterien in der Reihenfolge ihrer Nennung - erfolgen (vgl. Abschn. IV.2. der Vergabebekanntmachung).

In den Verdingungsunterlagen wird hierzu unter Ziff. 5. 2 der "Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes für die Sach- und Schadensversicherung" näher ausgeführt:

"... Der Umfang des Versicherungsschutzes wird insb. bei Nebenangeboten berücksichtigt.

Beim Hauptangebot findet eine Berücksichtigung des Umfangs in Bezug auf mögliche (zulässige) Unterschiede im Hinblick auf die nicht zwingenden Bestandteile des Leistungsverzeichnisses statt."

Die Leistungsbeschreibung enthielt für das Los 1 eigene, vom Auftraggeber definierte "Besondere Bedingungen für die Gebäude- und Inhaltsversicherung". Hinsichtlich einiger allgemeiner Vereinbarungen und Bedingungen, die jeweils den Versicherungsnehmer begünstigen, so z.B. der vorgegebenen Vereinbarung zur vereinfachten Handhabung der Schadenregulierung bei voraussichtlichen Bagatellschäden, eines gewünschten Unterversicherungsverzichts, des gewünschten Ersatzes von Schadensermittlungs- und Feststellungskosten auch bei (sich später nicht bestätigendem) Schadensverdacht oder der gewünschte Ersatz auch von Beratungs-, Regie- und durch Preissteigerung verursachten Mehrkosten, enthielt das Leistungsverzeichnis jeweils den Zusatz: "nicht zwingend" und sah mithin für die Bieter die Möglichkeit vor, diese Einzelpositionen nicht bzw. nur eingeschränkt anzubieten. In Anlage 1/9 der Leistungsbeschreibung wurden diese "nicht zwingenden" Positionen nochmals zusammengefasst. Der Antragsgegner hat diese Vorgehensweise damit begründet, dass er aus seiner Markterkundung die Erkenntnis gewonnen habe, dass diese Positionen ggf. nicht von allen potenziellen Bietern akzeptiert werden, und dass er einen breiteren Wettbewerb dadurch organisieren wollte, dass diese Bieter nicht von vornherein von einer Teilnahme an der Ausschreibung absehen.

Die Leistungsbeschreibung orientiert weiterhin für alle Versicherungsleistungen...

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