Leitsatz (amtlich)
Bei dem wechselseitigen Verzicht der Prozessparteien hinsichtlich des ansonsten noch gesondert durchzuführenden Versorgungsausgleichs liegt ein Vergleich i.S.d. Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 RVG-VV vor.
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Beschluss vom 13.06.2008; Aktenzeichen 4 F 661/07) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Wittenberg vom 13.6.2008 - 4 F 661/07 S, abgeändert und die der Prozessbevollmächtigten aus der Staatskasse des Landes Sachsen-Anhalt zu zahlende Vergütung auf insgesamt 779,45 EUR festgesetzt.
2. Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte und, weil vom AG zugelassen, auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Wittenberg vom 13.6.2008, aufgrund dessen der beschwerdeführenden Anwältin die von ihr - für einen wechselseitigen Verzicht der vormaligen Prozessparteien auf die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs - geltend gemachte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG i.H.v. 85 EUR zzgl. hierauf entfallender Mehrwertsteuer nicht zugebilligt worden ist, hat auch in der Sache Erfolg.
Denn es liegt sehr wohl eine Einigung im Sinne des oben genannten Gebührentatbestandes vor.
Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG entsteht eine Einigungsgebühr "für die Mitwirkung bei Abschluss eines Vertrages, durch die der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht".
Entgegen der Ansicht des AG und der Bezirksrevisorin liegt in dem wechselseitigen Verzicht beider ursprünglichen Prozessparteien hinsichtlich des ansonsten etwaig noch gesondert durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ein (Teil-)Vergleichsvertrag im Sinne der vorgenannten Vergütungsregelung vor. Ungeachtet dessen, dass das AG selbst dies zunächst auch noch in seinem Scheidungsverbundurteil vom 15.4.2008 so gesehen hat, indem es mit Ziff. 2 des Tenors dieser Entscheidung noch den von den Parteien geschlossenen "Vergleich vom 15.4.2008" über den (wechselseitigen) Verzicht auf die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs genehmigt hat, haben beide Parteien mit ihren jeweiligen Verzichtserklärungen die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs mit seinem ungewissen Ausgang dem Rechtsstreit bzw. einem ansonsten noch durch gesondert zu führenden Rechtsstreit auch tatsächlich entzogen (vgl. Terminsprotokoll vom 15.4.2008, Bl. 29/30 d.A.). Da überdies erkennbar keine der entsprechenden Verzichtserklärungen ohne den Verzicht der anderen Partei erklärt worden ist (vgl. Wortlaut des Vergleichstextes, Bl. 30 d.A.), liegt nicht nur ein einseitiger Verzicht vor, der nach der Nr. 1000 VV zum RVG nicht zum Entstehen der Einigungsgebühr führt ("ausschließlich") (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.2005 - 13 WF 497/05), sondern ein wechselseitiges vertragliches Nachgeben vor, durch den der Streit über den Versorgungsausgleich teilweise beseitigt worden ist. Infolge dessen ist aber hier eine Einigungsgebühr entstanden, weil beide Parteien gerade wechselseitig auf die Geltendmachung von ungewissen Ansprüchen aus dem noch etwaig durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verzichtet haben (vgl. so für den wechseitigen Verzicht: OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1463 m.w.N.).
Nach alledem hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einen Anspruch ggü. der Staatskasse auf Erstattung der entsprechenden Einigungsgebühr nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer. Soweit dies bei der Vergütungsfestsetzung im angefochtenen Beschluss unberücksichtigt geblieben ist, war also auf das Rechtsmittel hin die entsprechende Korrektur vorzunehmen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 2121153 |
FamRZ 2009, 1089 |
AGS 2009, 222 |
HRA 2009, 10 |
OLGR-Ost 2009, 429 |