Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an eine Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 14.04.2022; Aktenzeichen 8 O 60/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Halle vom 14. April 2022 aufgehoben.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
I. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde vom 04.05.2022 gegen die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr.
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Auskunft und Zahlung einer Provision für die Vermittlung und den Verkauf medizinischer Produkte, insbesondere auch Atemmasken. Nach Erlass eines Versäumnisurteils am 27.04.2021 gegen den Beklagten im schriftlichen Vorverfahren über alle Stufen des Klageanspruchs und vor Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts den Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten in seiner Einspruchsschrift vom 14.05.2021 mit Beschluss vom 30.07.2021 an die 2. Kammer für Handelssachen verwiesen. Zwischenzeitlich war dem Kläger - in Unkenntnis der Einspruchsschrift, die zunächst nicht zur Gerichtsakte gelangt war - eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils erteilt und am 08.05.2021 übermittelt worden; diese Zwangsvollstreckung wurde mit Beschluss vom 18.08.2021 einstweilen eingestellt. Die (sofortige) Beschwerde des Klägers vom 18.08.2021 gegen den Verweisungsbeschluss wurde mit Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen vom 24.08.2021 als unzulässig verworfen, der Antrag des Klägers vom 27.04.2021 auf Verhängung eines Zwangsgeldes zur Vollstreckung des Versäumnisurteils mit Beschluss vom 23.11.2021 zurückgewiesen.
Im Anschluss an die richterseits allein von der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen wahrgenommene mündliche Verhandlung vom 24.03.2022 hat diese am 14.04.2022 dem Kläger eine Verzögerungsgebühr in Höhe einer besonderen Gebühr nach einem Gebührensatz von 1,0 aus einem Streitwert von 150.000,00 EUR auferlegt, das sind 1.525,00 EUR. Zur Begründung hat die Vorsitzende im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei mehrfach und unter Fristsetzung aufgefordert worden mitzuteilen, ob er sein Einverständnis zur Entscheidung durch die Vorsitzende anstelle der Kammer erkläre, zuletzt dass das Gericht von seinem Einverständnis spätestens im Verhandlungstermin ausgehe. Im Verhandlungstermin habe der Kläger jedoch sein Einverständnis verweigert, so dass ein neuer Termin vor der Kammer auf den 16.05.2022 habe bestimmt werden müssen.
Hiergegen hat der Kläger am 04.05.2022 Beschwerde eingelegt und diese im Wesentlichen mit bisherigen Versäumnissen und Verzögerungen durch das Landgericht begründet, und dass es zudem keine Pflicht gebe, sich zu der Übertragung "auf den Einzelrichter" zu äußern. Zuvor in der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2022 hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers darüber hinaus erklärt, die Zustimmung zur Entscheidung durch die Vorsitzende anstelle der Kammer wegen seiner (sofortigen) Beschwerde vom 18.08.2021 gegen den Verweisungsbeschluss noch nicht erklären zu können; darauf wurden ihm der Beschluss hierzu vom 24.08.2021 ebenso wie die Zustimmung des Beklagten vom 20.08.2021 zur Entscheidung durch die Vorsitzende abschriftlich ausgehändigt.
II. Die Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 38, 69 GKG an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Grenzwert des Beschwerdegegenstands deutlich überschritten.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 38 GKG liegen im Streitfall nicht vor.
Die Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG hat einen echten Strafcharakter, ist eine Sühne für ein schuldhaftes prozessrechtswidriges Verhalten einer Partei und kann daher nicht verhängt werden, wenn eine Partei zwar das Verfahren verzögert, sich dabei aber prozessordnungsgemäß verhält. So rechtfertigt nicht jeder Verstoß einer Partei gegen die Prozessförderungspflicht die Festsetzung einer Verzögerungsgebühr. Sie wird insbesondere nicht etwa als Ausgleich für eine von der Partei verursachte erhöhte Mühewaltung des Gerichts - etwa wegen der Notwendigkeit weiterer Termine - erhoben, sondern sie stellt eine Art "Sühne" für prozessordnungswidriges Verhalten einer Partei oder ihres Bevollmächtigten dar (vgl. nur VerfGH Sachsen, Beschluss vom 27.09.2010 - Vf. 46-IV-10 - m.w.N.; zu § 34 GKG a.F. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.12.1994 - 10 W 136/94; juris.de).
Ein derart schuldhaftes prozessrechtswidriges Verhalten des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigter (§ 85 ZPO) kann im Streitfall nicht festgestellt werden.
Die dem Beschwerdefall prozessual zugrundeliegende Vorschrift des § 349 ZPO überträgt dem Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen eine Reihe von Befugnissen, ohne Mitwirkung der Handelsrichter tätig zu werden. In diesen Fällen ist seine Stellung eine andere als diejenige des Einzelrichters einer Zivilkammer (§ 348 ZPO). Die Zivilprozessord...