Leitsatz (amtlich)

Das Gebot, die Freiheitsentziehung des Sicherungsverwahrten im deutlichen Abstand zum Strafvollzug und freiheitsorientiert auszugestalten, somit das Leben in der Sicherungsverwahrung, den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, verbietet eine allgemeine, vom Einzelfall losgelöste Beschränkung der Anzahl der vom Untergebrachten eingebrachten Gegenstände oder die Verweisung des Untergebrachten auf die in einer sogenannten Positivliste der Anstalt aufgeführten Gegenstände.

Die Wahrung der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt im Sinne der §§ 130, 69, 70 Abs. 2 StVollzG erfordert vielmehr im Hinblick auf die Kontrollierbarkeit des Verwahrraums und der vom Untergebrachten eingebrachten Gegenstände einen dem Sonderopfer geschuldeten, im Vergleich zum Strafgefangenen erhöhten Kontrollaufwand der Anstalt.

Dem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten ist ein Raum angemessener Größe zur Verfügung zu stellen, der sich, um dem Abstandsgebot Rechnung zu tragen, in der Größe und der Ausstattung deutlich von den Hafträumen für Strafgefangene unterscheiden muss und daher auch mit einer eigenen Nasszelle mit Dusche sowie einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank zu versehen ist.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Entscheidung vom 30.11.2010; Aktenzeichen 508 StVK 599/10)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal mit Sitz in Burg vom 30. November 2010 aufgehoben, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Antragsteller sein Flachbildfernsehempfangsgerät herauszugeben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 600 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Nachdem diese zunächst in anderen Justizvollzugsanstalten, u. a. in den Justizvollzugsanstalten C. und T. vollzogen worden ist, ist der Antragsteller am 21. April 2010 in die Justizvollzugsanstalt B. verlegt worden.

Dem Antragsteller war in den vorherigen Justizvollzugsanstalten u. a. der Besitz des streitgegenständlichen Fernsehgeräts gestattet worden, nachdem dieses fachgerecht geprüft, sämtliche sicherheitsrelevanten Anschlüsse entfernt bzw. unbrauchbar gemacht und versiegelt waren.

Die Antragsgegnerin hat am 18. Mai 2010 u. a. die Herausgabe des Fernsehgerätes auf entsprechendem Antrag des Antragstellers zunächst mit der Begründung abgelehnt, in der Justizvollzugsanstalt seien nur die in der Positivliste aufgeführten Gegenstände zulässig.

Die auswärtige kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal mit Sitz in Burg hat mit Beschluss vom 30. November 2010 (508 StVK 599/10) auf den Antrag des Antragstellers u. a. die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller sein privates Flachbildfernsehempfangsgerät herauszugeben.

Gegen den ihr am 03. Dezember 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2010, eingegangen beim Landgericht Stendal am gleichen Tag, mit der sie unter der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts beantragt hat, den Beschluss des Landgerichts Stendal insoweit aufzuheben, soweit sie verpflichtet wurde, das Flachbildfernsehempfangsgerät an den Antragsteller herauszugeben.

Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.

II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 118 StVollzG).

Die Rechtsbeschwerde ist auch statthaft, da der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht den Anforderungen genügt, die § 267 StPO an die Begründung eines strafrechtlichen Urteils stellt. Danach müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergeben werden, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine hinreichende Überprüfung möglich ist (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 115 Rn. 10 mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen). Verfehlt der Beschluss diese Anforderungen, so ist er schon deswegen aufzuheben, weil seine Begründung eine Beurteilung, ob die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, nicht ermöglicht und sich damit einer Nachprüfbarkeit entzieht (OLG Koblenz, ZfStrVo 1989, 120; OLG Koblenz - 1 Ws 501/07 - vom 19. November 2007; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 116 Rn. 3 m. w. N.; Senat, Beschluss vom 01. März 2010 - 1 Ws 3/10 -).

Im vorliegenden Fall ist die Strafvollstreckungskammer ihrer Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Übersichtlichkeit des Verwahrraumes und Versagungsgründen in der Person des Antragstellers nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen.

Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde zulässig, da die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

2. Die Rechtsbeschwerde ist mit der Sachrüge auch - vo...

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