Leitsatz (amtlich)
Ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bereits im Vergabeverfahren tätig geworden, so ist nicht vom Gebührentatbestand RVG-VV 2300 auszugehen, sondern von dem reduzierten des RVG-VV 2301. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass der Umfang der Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren dann deshalb geringer ist. Dieser Umstand darf dann bei der Gebühr nicht noch einmal berücksichtigt werden.
Allerdings ist ein Überschreiten der 0,7 Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) wegen des Umfangs der Tätigkeit gerechtfertigt, wenn diese Annahme des Gesetzgebers im konkreten Fall nicht zutrifft. Umgekehrt gilt: Hat die Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren einen Umfang, der dem Umfang bei einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren entspricht, so wird in Anbetracht des reduzierten Gebührenrahmens der Ansatz der 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt sein.
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10.02.2010; Aktenzeichen 1 VK LVwA 35/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 10.2.2010 (1 VK LVwA 35/09 K) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.539,16 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schrieb im offenen Verfahren Bewachungs- und Sicherheitsaufgaben im Bereich des Universitätsklinikums und der Räumlichkeiten der medizinischen Fakultät aus. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben Angebote ab. Den Zuschlag sollte die Beigeladene erhalten. Die Antragstellerin beantragte die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor der 1. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes. Mit Beschluss vom 28.8.2009 (Bl. 304 - 320 II in 1 VK LVwA 35/09; i. F. BA) hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig verworfen und, teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners und der Beigeladenen der Antragstellerin auferlegt, sowie die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig erklärt. Im weiteren Verfahren erhielt auch die Beigeladene den Zuschlag nicht, der Auftrag wurde an ein Drittunternehmen vergeben.
In den Ausschreibungsbedingungen heißt es unter 4 u.a. (Bl. 27 I BA):
c) Beginn der Leistung 1.6.2009
d) Ende der Leistung 31.5.2012
Option der Verlängerung um ein Jahr, wenn nicht von einem der Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf schriftlich gekündigt wird.
Es besteht Einigkeit darüber, dass die Bruttoangebotssumme der Antragstellerin für 1 Jahr 1.020.120,98 EUR betrug. Mit Schriftsatz vom 9.11.2009 (Bl. 331 - 333 II BA) beantragte die Antragsgegnerin Kosten i.H.v. 6.268,78,- Euro gegen die Antragstellerin festzusetzen. Die Antragsgegnerin ging dabei von einem Streitwert von 204.380,18 EUR aus und begehrte (u.a.) eine 2,0 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 2300.
In dem angefochtenen Beschluss vom 10.2.2010 (Bl. 366 - 373 III BA) hat die Vergabekammer die der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 2.325,26 EUR festgesetzt. Die Vergabekammer geht dabei von einem Streitwert bis zu 230.000,- Euro aus. Die Verfahrensgebühr könne aber nicht gemäß RVG-VV Nr. 2300 festgesetzt werden, sondern nur nach RVG-VV Nr. 2301, weil die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits im Vergabeverfahren selbst tätig geworden seien. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die anwaltliche Tätigkeit in Vergabeverfahren grundsätzlich immer als überdurchschnittlich schwierig angesehen werden müsse, was auch der vorliegende Fall zeige, sei eine Verfahrensgebühr im Rahmen von 0,5 bis 1,3 i.H.v. 1,0 angemessen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie rügt den von der Vergabekammer angenommenen Streitwert von bis zu 230.000 EUR. Man könne weder die Angebotssumme der Antragstellerin für 3 Jahre (Laufzeit des Vertrages) und schon überhaupt nicht für 4 Jahre (gemäß der Optionsklausel) zugrunde legen. Maßgeblich sei allein das in dem Angebot angegebene Entgelt. Die Vergabekammer stelle zwar richtig auf RVG-VV Nr. 2301 ab, im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit sei aber allenfalls die Zuerkennung einer Mittelgebühr von 0,7 gerechtfertigt. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass durch das Vergabenachprüfungsverfahren der Zuschlag an die Beigeladene verhindert worden sei, weil auch diese kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe.
Die Antragstellerin beantragt, die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses unter Herabsetzung des Gegen-standswertes auf 51.005,15 EUR, hilfsweise auf 153.015,45 EUR als Gegenstandswert und Beschränkung der Anwaltsgebühren auf einen anzunehmenden Ansatz einer Mittelgebühr von maximal 0,7; vorsorglic...