Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendbarkeit des § 93 ZPO setzt nicht voraus, dass der Beklagte die Hauptschuld gleichzeitig oder zeitnah erfüllt.

2. Anlass zur Klageerhebung gibt ein Schuldner regelmäßig dann, wenn er eine fällige Forderung trotz Aufforderung durch den Gläubiger nicht zahlt, bzw. sich mit der Hauptforderung prozessual in Verzug befindet. Letzteres ist der Fall, wenn die Voraussetzungen einer Verfallsklausel in einer Ratenzahlungsvereinbarung vorliegen.

3. Nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid kommt eine Anwendung des § 93 ZPO nur in Betracht, wenn der Widerspruch auf die Kosten beschränkt wurde.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 09.03.2010; Aktenzeichen 10 O 160/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung des am 9.3.2010 verkündeten Anerkenntnisurteils des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach § 99 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

I. Das LG hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Kosten des Rechtsstreites dem Beklagten nach § 91 ZPO auferlegt.

Der Beklagte hat den Klageanspruch nicht mit der Wirkung des § 93 ZPO sofort anerkannt. Die Voraussetzungen der Kostenprivilegierung des anerkennenden Beklagten aus § 93 ZPO liegen hier nicht vor.

Von einem sofortigen Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO konnte hier nicht ausgegangen werden, denn der Beklagte hat letztlich Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.

1. Er hat die Hauptforderung zwar mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 18.2.2010 unverzüglich und vorbehaltlos innerhalb der Klageerwiderungsfrist nach § 275 Abs. 1 S. 1 ZPO nach Maßgabe des § 307 ZPO anerkannt.

2. Wie das LG in der angefochtenen Entscheidung überdies zutreffend erkannt hat, ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 93 ZPO, dass der Beklagte die Hauptschuld gleichzeitig oder zeitnah erfüllt; auch lässt sich eine solche Voraussetzung für reine Geldschulden nicht etwa aus der Gesamtsystematik der Kostenregelung ableiten (vgl. BGH NJW 1979, 2040 - 2041 zitiert nach juris; OLG München MDR 2003, 1134 zitiert nach juris; OLG Hamburg ZMR 2008, 282 zitiert nach juris; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 1472 zitiert nach juris; OLG Hamm FamRZ 1993, 1344 - 1345 zitiert nach juris).

Der in der Rechtsliteratur teilweise vertretenen Gegenansicht (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 93 ZPO Rz. 6 "Geldschulden"), wonach bei einer Geldforderung zu dem verbalen Anerkenntnis auch eine sofortige Zahlung der Geldschuld hinzutreten müsse, vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser Auffassung hat bereits der BGH eine klare Absage erteilt, weil eine Verknüpfung von Anerkenntnis und Zahlung im Gesetz keine Stütze findet (vgl. BGH NJW 1979, 2040 - 2041 zitiert nach juris; OLG München MDR 2003, 1134 zitiert nach juris; OLG Hamm FamRZ 1993, 1344 - 1345 zitiert nach juris). § 93 ZPO regelt die Kostenfolge in einem besonderen Fall eines Anerkenntnisses gem. § 307 ZPO. Bei § 307 ZPO wird aber von niemanden gefordert, dass die zeitgleiche Erfüllung Voraussetzung für wirksames Anerkenntnis wäre. Das Erfordernis einer alsbaldigen Erfüllung ist dem klaren Wortlaut des Gesetzes vielmehr gerade nicht zu entnehmen. Es hätte im Übrigen zur Folge, dass sich ein zur Leistung unfähiger Schuldner nie durch ein sofortiges Anerkenntnis vor der Auferlegung von Prozesskosten schützen könnte und § 93 ZPO bei Geldschulden weitgehend unanwendbar bliebe. Mit der Zahlung der geschuldeten Summe wäre die Hauptsache nämlich erledigt, so dass über die Kosten des Rechtsstreits nicht nach § 93 ZPO, sondern gem. § 91a ZPO zu entscheiden wäre (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 1472 zitiert nach juris; OLG Hamburg ZMR 2008, 714 zitiert nach juris; OLG München MDR 2003, 1134 zitiert nach juris).

3. Für die Anwendung des § 93 ZPO bleibt hier jedoch deshalb kein Raum, weil der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.

a) Anlass zur Erhebung einer Klage - auch die Zustellung eines Mahnbescheides bewirkt nach eingelegtem Widerspruch die Rechtshängigkeit der Sache (§ 696 Abs. 3 ZPO) - gibt der Beklagte durch ein Verhalten, das vernünftiger Weise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt. Er muss sich vorprozessual so verhalten haben, dass der Kläger bei verständiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders nicht zu seinem Recht kommen (vgl. BGH NJW 1979, 2040 - 2041 zitiert nach juris; Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 93 ZPO Rz. 6 m.w.N.; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 93 ZPO Rz. 3 m.w.N.). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage geboten hat, auf sein Handeln vor dem Prozess ankommt, zu dessen Beurteilung allerdings auch das Verhalten des Beklagten nach Klageerhebung heran gezogen werden darf (vgl. BGHZ NJW 1979, 2010 - 2041 zitiert nach juris). Bei der auf Grund aller Einzelumstände zu...

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