Leitsatz (amtlich)
1. Zum Nachweis einer erfolgreichen Behandlung einer Kiefergelenksluxation trotz fehlender Dokumentation.
2. Es ist kein Behandlungsfehler, wenn der Arzt keinen bildgebenden Nachweis des Erfolgs seiner Behandlung schafft, soweit es für diese Befunderhebung keinen medizinischen Zweck gibt.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 10.01.2007; Aktenzeichen 3 O 262/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.1.2007 verkündete Urteil des LG Halle, 3 O 262/04, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.
und beschlossen:
Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.408,37 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte vertragliche und deliktische Schadenersatzansprüche aus dem nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X übergegangenem Recht ihrer Versicherten E. F. geltend. Das LG hat zu Recht darauf erkannt, dass ein solcher Anspruch schon dem Grunde nach nicht besteht. Die Kammer hat zutreffend festgestellt, dass der Klägerin der Nachweis eines Behandlungsfehlers des Chirurgen Dr. med. H. P. anlässlich der Einrenkung (Reponierung) des Kiefergelenks der Versicherten am 7.6.2000 nicht gelungen ist. Der Senat teilt auch die Zweifel des erstinstanzlichen Gerichts an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Behandlung des Dr. P. am 7.6.2000 und der am 14.11.2000 durchgeführten offenen Reponierung, allerdings mit der Maßgabe, dass insoweit so erhebliche Zweifel bestehen, dass die Rechtsverfolgung durch eine medizinisch und juristisch sachverständig beratene gesetzliche Krankenkasse geradezu mutwillig erscheint.
1. Ein Behandlungsfehler ist nicht bewiesen.
1.1. Die Einrenkung (Reponierung) des Kieferngelenkes der Versicherten E. F. am 7.6.2000 war medizinisch geboten. Der behandelnde Arzt, Dr. P., hatte nach dem hierfür maßgeblichen klinischen Befund eine Kiefergelenkausrenkung (sog. Luxation) festgestellt. Eines diese Diagnose sichernden bildgebenden Befundes bedurfte es hier nicht, weil die Ausrenkung des Kiefergelenks nach der schiefen Mundstellung rechts, der ebenfalls vorhandenen Kiefersperre und der spezifischen Kieferschmerzen offensichtlich war. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, denen die Klägerin zumindest im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr entgegen getreten ist, wäre ein Röntgenbefund allenfalls dann notwendig gewesen, wenn Anhaltspunkte für eine knöcherne Veränderung des Kiefergelenks bestanden hätten. Solche Anhaltspunkte fehlten hier.
1.2. Die Behauptung der Klägerin, dass die am 7.6.2000 vorliegende Ausrenkung des Kiefergelenks durch den Eingriff des Dr. P. vom selben Tage nicht beseitigt worden wäre, ist nicht bewiesen. Demnach ist von einem erfolgreichen Eingriff auszugehen, weil die Klägerin insoweit die Beweislast für einen Misserfolg trägt.
Allerdings fehlt, wie die Klägerin zutreffend anführt, eine ärztliche Dokumentation des Ergebnisses des Eingriffs. Den Patientenunterlagen selbst, dort dem Pflegebericht, ist unter dem entsprechenden Datum lediglich zu entnehmen, dass gegen 13:00 Uhr eine Behandlung der Versicherten durch Dr. P. wegen der Ausrenkung erfolgt sei, weil der Stationsärztin S. eine Einrenkung nicht gelungen sei. Diese Eintragung spricht dafür, dass der Eingriff des Dr. P. zur Beseitigung der Ausrenkung geführt hat. Anderenfalls hätte es nahe gelegen, dass Frau S. eine Weiterbehandlung der Versicherten F. wegen der Kiefergelenkausrenkung veranlasst hätte. Unabhängig von diesem wohl nicht zwingenden Rückschluss erbringt die fehlende Dokumentation entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls weder den Vollbeweis einer erfolglosen Einrenkung noch ein unwiderlegliches Beweisanzeichen für das Scheitern des Einrenkversuches des Dr. P..
Dem gegenüber hat das LG nach formell nicht zu beanstandender und von der Klägerin auch nicht beanstandeter Beweisaufnahme aus der Zeugenaussage des Dr. P. am 27.11.2006 die Überzeugung gewonnen, dass dieser das Einrenkmanöver standardgerecht und erfolgreich ausgeführt hat. Diese Beweiswürdigung begegnet keinen Bedenken des Senats. Bei der Einrenkung des Kiefergelenks handelt es sich um einen verhältnismäßig einfachen Eingriff. Die Kammer hat nach sachverständiger Beratung die Schilderung des Zeugen vom Eingriffsverlauf als deckungsgleich zum gebotenen Eingriffsmanöver nach Hippokrates bewertet. Das LG durfte den Angaben des Zeugen auch entnehmen, dass er das Einschnappen des Gelenkkopfes im Gelenkraum bemerkt hatte, dass der "schiefe" Mund nach dem Eingriff besei...