Leitsatz (amtlich)
1. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Bindung der BVVG an die Privatisierungsgrundsätze 2010 im Innenverhältnis zur Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auch eine Verpflichtung gegenüber dem an einer Pacht der von der BVVG verwalteten landwirtschaftlichen Flächen interessierten landwirtschaftlichen Unternehmen entspricht, ist ausschließlich davon abhängig, wie die BVVG die Privatisierungsgrundsätze im Zeitpunkt des beabsichtigten Abschlusses des sog. Schutzregelpachtvertrages in seiner ständigen Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen als Privatisierungsstelle des Bundes aufgrund des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist (Anschluss an BGH, Urteil v. 23.04.2021, V ZR 147/19, in juris Rz. 12 f.).
2. Griff die BVVG im Jahre 2018 bei der Pachtpreisermittlung für langjährige Schutzregelpachtverträge nicht etwa auf amtliche Statistiken oder Preissammlungen oder auf eine individuelle Ermittlung des Verkehrswerts der konkreten Pachtflächen zurück, sondern ausschließlich auf ein eigenes Pachtpreisinformationssystem, welches sich aus Daten der von ihr selbst geschlossenen bzw. verlängerten Landpachtverträge speiste, so besteht selbst dann kein Anspruch eines Pachtinteressenten auf das Angebot einer s.E. ortsüblichen Pachtzinshöhe, wenn er sich auf die Intransparenz dieser Preisfindung beruft.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Urteil vom 11.04.2022; Aktenzeichen 12 Lw 8/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung I der Beklagten wird das am 11. April 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Magdeburg teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 23.305,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 28. Januar 2022 zu zahlen abzüglich der am 22. Februar 2022 geleisteten Teilzahlung von 3.202,56 EUR und der am 9. Mai 2022 geleisteten Teilzahlung von 1.005,84 EUR.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht zur Rückzahlung der am 22. Februar 2022 unter Vorbehalt geleisteten Teilzahlung von 3.202,56 EUR verpflichtet ist.
II. Die Berufung II der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Magdeburg wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Kostenwert des Rechtsstreits in erster Instanz und des Berufungsverfahrens wird jeweils auf eine Gebührenstufe bis 140.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten in Fortführung früherer Verpachtungen die Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines Landpachtvertrages zu einem geringeren als dem bisher angebotenen Pachtzins für Ackerflächen.
Die Klägerin hatte von der Beklagten langfristig landwirtschaftliche Flächen in den Gemarkungen L. und P. (S. Kreis) in einer Gesamtgröße von ca. 53 Hektar gepachtet; dieser Landpachtvertrag mit dem Aktenzeichen der Beklagten ... endete zum 30.09.2018. Die Klägerin begehrt einen Anschlusspachtvertrag für die Zeit vom 01.10.2018 bis zum 30.09.2027 über eine Gesamtfläche von insgesamt 53,3083 Hektar, welche 52,8984 Hektar Ackerland in 14 Teilflächen mit einer gewichteten Bodenpunkt- (Acker-)zahl von 71 sowie 0,3024 Hektar Forst und 0,1075 Hektar sonstige Flächen umfasst.
Zwischen den Prozessparteien steht außer Streit, dass die Klägerin zu der Fortführung ihres Betriebes auf diese Flächen angewiesen ist, sodass Nummer 2.2.5 der Grundsätze für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG (Privatisierungsgrundsätze) anwendbar ist. Diese Privatisierungsgrundsätze, auf die sich die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer im Beitrittsgebiet - ausgenommen Berlin - im Frühjahr 2010 verständigt hatten (veröffentlicht unter https://www.bvvg.de/wp-content/uploads/2019/10/privatisierungsgrundsaetze.pdf, künftig: PG 2010), sind nach dem Abschluss der Veräußerungen von landwirtschaftlichen Flächen an Berechtigte nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz (EALG) im Jahre 2009 nach ihrer Nummer 2 darauf gerichtet, mehr Planungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe u. a. dadurch herbeizuführen, dass beim Auslaufen langfristiger Pachtverträge unter bestimmten Voraussetzungen die Neuvergabe nicht durch eine Ausschreibung, sondern durch eine Direktvergabe an den bisherigen Pächter - zum Erwerb oder zum Abschluss eines Anschlusspachtvertrages - erfolgt. In Nummer 2.2.5 werden die Voraussetzungen und Modalitäten des Neuabschlusses eines Landpachtvertrages mit einer Laufzeit von bis zu...