Leitsatz (amtlich)
1. Ändert ein Unternehmer eine ihm vorgegebene Leistungsposition, wonach bei der Dämmung von Heizungsrohren keine gesonderte Vergütung der benötigten Formteile erfolgen soll, mit seinem Angebot dahin ab, dass je 10 Meter Rohr jeweils nur ein Formteil eingeschlossen ist und im Übrigen eine Vergütung der Formteile nach Stückzahlen verlangt wird, und nimmt der Auftraggeber dieses Angebot an, so besteht im Falle der Überschreitung der Inklusive-Stückzahlen ein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B. Hierfür ist es unerheblich, ob der Vertrag im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens geschlossen wurde.
2. Zur Auslegung eines Angebots (hier: Änderung von Leistungspositionen durch das Begleitschreiben).
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 06.11.2007; Aktenzeichen 23 O 767/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.11.2007 verkündete Urteil des LG Stendal, 23 O 767/05, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.368,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 3.7.2005 sowie weitere 591,30 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾ zu tragen; diejenigen der Berufungsinstanz fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des früheren öffentlichen Trägers des Kreiskrankenhauses B., des Landkreises J., restlichen Werklohn für Dämmungsarbeiten.
Der Landkreis J. hatte im Jahre 2002 den Umbau und die Sanierung des Hauses B des Kreiskrankenhauses losweise nach Gewerken öffentlich ausgeschrieben. Nach einer vollständigen Erneuerung des Heizungs- und Lüftungssystems im Hause sollte die Dämmung dieses Systems erfolgen. Hierzu hatte die technische Beraterin des Landkreises, die Streitverkündete L. Ingenieurgesellschaft mbH, ein Leistungsverzeichnis erstellt, welches die durchzuführenden Dämmungsarbeiten überwiegend lediglich funktional nach der Länge der zu dämmenden Rohre und ohne Vereinzelung der hierfür benötigten Formteile (Bögen, Passstücke, Stutzen, Abdeckungen, Kappen, Abflachungen, Endstellen usw.) beschrieb. Für alle zu dämmenden Rohre mit einem Innendurchmesser bis einschließlich DN 100 sollten die Preise für Formteile in die Einheitspreise der Dämmungsmontage pro lfd. Meter Rohr eingerechnet werden. Den Verdingungsunterlagen waren keine Zeichnungen oder sonstige Planungsunterlagen des noch zu erstellenden Rohrsystems beigefügt; sie enthielten auch keinen Hinweis auf eine Einsichtsmöglichkeit in solche Unterlagen. Die Klägerin hat behauptet, dass sie trotz mehrfacher telefonischer Anfragen und einer schriftlichen Nachfrage nach solchen Unterlagen beim Landkreis keine entsprechenden Informationen bekommen habe.
Die Klägerin reichte im Vergabeverfahren das Angebot eines Einheitspreisvertrages i.H.v. nahezu 66.000 EUR ein. Im Anschreiben zum Angebot vom 2.12.2002 teilte sie mit, dass sie "... bei den ausgeschriebenen LV-Positionen mit der Bemerkung "inklusive Zulagen" "... ein(en) Anteil von 10 % bezogen auf die Meter kalkuliert ..." habe. Auf dieses Angebot erteilte der Landkreis am 28.2.2003 den Zuschlag.
Während der Durchführung der Dämmungsarbeiten zeichnete sich ab, dass das Rohrsystem extrem verwinkelt erstellt worden war, weshalb z.T. eine sehr hohe Zahl von Formteilen benötigt wurden. Die Klägerin zeigte mit Nachtragsangebot vom 16.3.2004 die 10 % übersteigenden Mengen als Mehrleistungen vor deren Einsetzen an und bezifferte die hierfür geforderten Einheitspreise; der Landkreis verweigerte eine schriftliche Bestätigung dieses Nachtrages. Die Klägerin führte die Leistungen gleichwohl aus.
Unter dem 18.2.2005 legte die Klägerin ihre Schlussrechnung über einen Bruttoendbetrag i.H.v. 80.750,62 EUR. Der Landkreis prüfte diese Rechnung und brachte daran Korrekturen einiger Aufmaße sowohl zu Lasten als auch zugunsten der Klägerin an. In vier Nachtragspositionen (1.1.170 N bis 1.1.190 N sowie 2.1.20030 N) legte er seiner Korrekturberechnung jeweils einen geringeren vereinbarten Einheitspreis zugrunde. In Gruppe 6 fügte er zugunsten der Klägerin diverse Rechnungspositionen ein, die in der Schlussrechnung der Klägerin nicht enthalten waren (Pos. 6.2.150 bis 6.2.180, Pos. 6.2.240 bis 6.2.280 und Pos. 6.2.340 bis 6.2.390). Er verweigerte gänzlich die Anerkennung und Bezahlung von Nachtragspositionen, die sich auf Mehrleistungen bei den Formteilen für Rohre bis einschließlich DN 100 bezogen. Wegen der ...