Leitsatz (amtlich)
Erkennt der Schuldner in einer Urkunde eine Unterhaltsleistung an, die nicht dem vom Gläubiger geforderten Betrag entspricht und klagt dieser auf den ihm zustehenden weiteren Betrag, handelt es sich nicht um eine Abänderungs-, sondern um eine sogen. Titelergänzungsklage (vgl. BGH v. 3.4.1985 – IVb ZR 19/84, BGHZ 94, 145 = MDR 1985, 645). Der Unterhaltsschuldner trägt nur bei einer Erstklage auf 100 % des Regelbetrages die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er in dieser Höhe nicht leistungsfähig ist.
Verfahrensgang
AG Halberstadt (Aktenzeichen 8 F 417/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2.11.2002 verkündete Urteil des AG – FamG – Halberstadt aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, die nach § 8 GKG nicht erhoben werden – an das FamG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug beträgt Euro 2.257,86.
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen.
Gründe
Die – zulässige – Berufung des beklagten Kindesvaters ist begründet, da das Verfahren des FamG an Mängeln leidet. Auf die am 17.11.2000 zugestellte Stufenklage (§ 1613 Abs. 1 BGB) durfte der Beklagte nicht ohne weiteres für die Zeit ab Juli 2001 zur Zahlung weiteren Kindesunterhalts an die – von dem Beklagten getrennt lebende – klagende Kindesmutter verurteilt werden, in deren Obhut sich das am 22.2.1989 geborene eheliche Kind A. befindet (§ 1629 Abs. 3 BGB).
1. Der – in Niedersachsen wohnende – Beklagte hatte sich in der Urkunde des Kreises Halberstadt vom 10.7.2000 verpflichtet, für sein – in Sachsen-Anhalt wohnendes – Kind für die Zeit ab Juli 2000 einen monatlichen Kindesunterhalt von „100 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweils gültigen Altersstufe entsprechend § 1 Regelbetragsverordnung unter Anrechnung eines hälftigen Erstkindergeldes” zu zahlen (Bl. 140 II d. A.). Damit wurde dem Begehren der Kindesmutter, die beim Beklagten mit Schreiben vom 6.7.2000 die Erteilung einer Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse angemahnt hatte, um den Kindesunterhalt selbst zu berechnen, nicht hinreichend Rechnung getragen. Ihre am 17.11.2000 rechtshängig gewordene Stufenklage auf Auskunft und Zahlung zusätzlichen Kindesunterhalts für die Zeit ab Juli 2001 ist daher als Titelergänzungsklage – und nicht als Klage auf Abänderung (Erhöhung) des in der Kreisjugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalts (§ 323 Abs. 1 ZPO) – zu werten (vgl. BGH v. 3.4.1985 – IVb ZR 19/84, BGHZ 94, 145 = MDR 1985, 645; BGHZ 34, 110 ff. = MDR 1961, 310). Dies hat zur Konsequenz, dass es auf eine Veränderung der bei der Errichtung der Kreisjugendamtsurkunde gegebenen tatsächlichen Verhältnisse nicht ankommt.
2. Der Zulässigkeit des von der klagenden Kindesmutter – in zweiter Stufe (Betragsverfahren) – gestellten Antrags auf Zahlung zusätzlichen, d.h. ergänzenden Kindesunterhalts i.H.v. 514 DM monatlich für die Zeit ab Juli 2001 steht entgegen, dass die Kreisjugend-amtsurkunde keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
Letzteres ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Urkunde den Betrag des anzurechnenden Kindergeldes nicht konkret bezeichnet. Statt das anzurechnende anteilige Kindergeld mit dem – bei der Errichtung der Urkunde maßgebenden – DM-Betrag anzugeben, wurde die abstrakte Formulierung gewählt, dass eine Anrechnung des „hälftigen Erstkindergeldes” erfolgt. Wäre diese unbestimmte Formulierung ausreichend, um der Urkunde Vollstreckbarkeit zu verleihen, bedürfte es der Bestimmung zu § 655 ZPO nicht, nach der Änderungen konkreter Beträge nach §§ 1612b und 1612c BGB, die in einem Unterhaltstitel angerechnet wurden, im vereinfachten Verfahren zulässig sind.
Da die Kreisjugendamtsurkunde keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, hätte die Kindesmutter keine Titelergänzungsklage auf Zahlung zusätzlichen Kindesunterhalts, sondern nur eine Klage auf Ersttitulierung des – ihrer Ansicht nach ingesamt geschuldeten – Kindesunterhalts erheben dürfen. Lediglich für eine solche Klage bestand und besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.
Auf eine entsprechende – sachdienliche – Antragstellung hat das FamG nicht hingewirkt (§ 139 ZPO). Infolgedessen ist das Verfahren des FamG fehlerhaft.
3. Im Übrigen trägt der Unterhaltsschuldner – nach der Entscheidung des BGH (BGH v. 6.2.2002 – XII ZR 20/00, MDR 2002, 644 = BGHReport 2002, 323 = FamRZ 2002, 536 ff.) – lediglich bei einer Klage des Unterhaltsgläubigers auf Zahlung von bis zu 100 % des Betrages nach § 1 der Regelbetragsverordnung die Darlegungs- und Beweislast für seine – teilweise oder vollständige – Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB). Klagt der Unterhaltsgläubiger dagegen – wie im vorliegenden Fall – auf höheren Kindesunterhalt, hat er die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners darzulegen und zu beweisen.
Auch in dieser Hinsicht ist die Entscheidung des FamG fehlerhaft:
a) Einerseits hat das FamG bei der Feststellung des unterhaltsre...