Leitsatz (amtlich)
Bei einem Zahlungstitel muss der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmässig festgelegt sein, soweit er sich aus dem Titel nicht "ohne weiteres" errechnen lässt. Dies bedeutet, dass bei einem dynamischen Titel der anzurechnende Kindergeldbetrag beziffert ausgewiesen sein muss (Argument aus § 655 ZPO).
Verfahrensgang
AG Halberstadt (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen 8 F 394/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.7.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Halberstadt unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels für die Zeit ab August 2004 abgeändert und für diese Zeit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Auf die Klage wird die Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde der Stadt B., Bezirksamt Mitte, vom 12.9.2002 (Beurk.-Reg. Nr. 1642/2002) für unzulässig erklärt.
2. Auf die Widerklage wird der klagende Kindesvater verurteilt, an das beklagte Kind für die Zeit ab Mai 2006 monatlich im voraus fälligen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen, wobei für die Zeit bis Oktober 2007 Kindergeld i.H.v. - zurzeit - 11 EUR monatlich angerechnet wird.
3. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 7.721 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Kindesunterhalt.
Der klagende Kindesvater war mit der Kindesmutter verheiratet. Aus der Ehe ging das (am 26.11.2001 geborene) beklagte Kind hervor. Mit der im Tenor bezeichneten Jugendamtsurkunde vom 12.9.2002 verpflichtete sich der Kindesvater zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. 115,2 % des Regelbetrages nach § 2 Regelbetrag-Verordnung "unter Anrechnung des jeweils nach § 1612b Abs. 1 und 5 BGB anrechenbaren Kindergelds". Damals war der Kindesvater noch bei der M. mbH mit Sitz in H. beschäftigt, der er zum 24.10.2002 kündigen musste, weil die Gesellschaft plötzlich Lohn schuldig blieb. Am 6.11.2002 trat er eine neue Stelle bei der L. GmbH mit Sitz in H. an, bei der er netto 1.102 EUR monatlich verdient hat.
Als sich die Kindeseltern trennten, wies das Landeseinwohneramt B., Abteilung Ausländerangelegenheiten, den Kindesvater aus der Bundesrepublik Deutschland aus, weil er kein deutscher Staatsbürger ist. Den Antrag des Kindesvaters auf einstweiligen Rechtsschutz beschied man abschlägig (Entscheidung des OVG Berlin vom 27.11.2003); spätestens seit diesem Zeitpunkt arbeitete der Kindesvater also ohne Arbeitserlaubnis. Mit Rücksicht darauf trat er bei seinem Arbeitgeber Anfang August 2004 unbezahlten Urlaub an und nahm die fristlose Kündigung seines Arbeitgebers hin, die wegen des Wegfalls der Arbeitserlaubnis mit Schreiben vom 30.8.2004 erfolgte. Als die Ehe mit der Kindesmutter geschieden wurde, kam er seiner drohenden Abschiebung zuvor, indem er am 1.4.2005 in sein Heimatland, die Türkei, ausreiste. Dort arbeitete er gegen Kost und Logis in der Haus- und Landwirtschaft seiner Mutter mit und heiratete erneut eine Deutsche, so dass er am 6.4.2006 wieder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen durfte. Am 6.6.2006 ließ er sich eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilen, die ihn wiederum zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Am 1.7.2006 nahm er eine Teilzeitarbeit bei der Fa. G. in B. auf.
Im ersten Rechtszug hat der klagende Kindesvater geltend gemacht, seit Juli 2004 nicht mehr leistungsfähig zu sein, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland arbeiten durfte und mit seiner jetzigen Teilzeitarbeit nur noch geringeres Einkommen als früher erzielt. Mit dieser Begründung hat er für die Zeit ab Juli 2004 eine entsprechende "Abänderung" der Jugendamtsurkunde erstrebt. Das FamG hat den titulierten Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2004 lediglich auf 100 % nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung reduziert, da der klagende Kindesvater im Übrigen nicht alle verfügbaren Mittel zu seinem und des Kindes Unterhalt eingesetzt habe und einsetze (§ 1603 Abs. 2 BGB). Gegen diese Entscheidung wendet sich der klagende Kindesvater mit der Berufung, mit der er - jetzt nur noch für die Zeit ab August 2004 - seinen erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Herabsetzung des in der Jugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhaltes weiterverfolgt.
II. Der Senat hat nur noch über Kindesunterhalt für die Zeit ab August 2004 zu befinden, nachdem der klagende Kindesvater sein Begehren im zweiten Rechtszug auf diesen Zeitraum beschränkt hat. Für die Zeit ab August 2004 ist die Berufung des klagenden Kindesvaters lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg:
1.a) Die streitbefangene Jugendamtsurkunde vom 12.9.2002 hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil die in der Urkunde vorgenommene Kindergeldanrechnung nach § 1612b BGB nicht in einem - konkreten - Währungsbetrag beziffert worden ist.
Ein Titel, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben we...