Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung des minderjährigen Kindes durch den betreuenden Elternteil im Unterhaltsrechtsstreit

 

Leitsatz (amtlich)

Der betreuende Elternteil vertritt das Kind nicht nur im aktiven, sondern auch im passiven Rechtsstreit über den Unterhalt.

Die bisherige Rechtsprechung wird hiermit aufgegeben.

 

Normenkette

BGB §§ 313, 1629 Abs. 2; ZPO §§ 56, 323

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Urteil vom 18.09.2006; Aktenzeichen 2 F 103/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der beklagten Kinder wird das am 18.9.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Merseburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Urkunde des Jugendamtes der Stadt B. vom 9.2.2004 (UR-Nr. 131/2004) wird dahin abgeändert, dass der klagende Kindesvater für die Zeit ab April 2006 nur noch Kindesunterhalt i.H.v. 94,2 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung an das (am 29.11.1991 geb.) beklagte Kind zu 1 zu Händen der Kindesmutter zu zahlen hat. Kindergeld wird zurzeit nicht angerechnet.

2. Die Urkunde des Jugendamtes der Stadt B. vom 9.2.2004 (UR-Nr. 132/2004) wird dahin abgeändert, dass der klagende Kindesvater für die Zeit ab April 2006 nur noch Kindesunterhalt i.H.v. 94,3 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung an das (am 24.1.1994 geb.) beklagte Kind zu 2 zu Händen der Kindesmutter zu zahlen hat. Kindergeld wird zurzeit nicht angerechnet.

Im Übrigen wird die Titelabänderungsklage des klagenden Kindesvaters abgewiesen.

II. Die unselbständige Anschlussberufung des klagenden Kindesvaters wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der klagende Kindesvater zu 87 v.H. und die beklagten Kinder zu 13 v.H.

 

Gründe

I. Die beiden beklagten Kinder sind aus der inzwischen geschiedenen Ehe des klagenden Kindesvaters mit der Kindesmutter hervorgegangen. Nach der Trennung von der Kindesmutter ließ der Kindesvater die beiden im Tenor bezeichneten Jugendamtsurkunden errichten, mit denen er sich verpflichtete, jeweils zu Händen der Kindesmutter an das beklagte Kind zu 1 für die Zeit ab Juli 2005 Kindesunterhalt i.H.v. 108,3 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung und an das beklagte Kind zu 2 für die Zeit ab Januar 2006 Kindesunterhalt i.H.v. 108,5 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Geschäftsgrundlage war, dass der Kindesvater damals Stadtobersekretär bei der Stadt B. war und aus dieser Tätigkeit ein Nettoeinkommen von 1.830 EUR monatlich erzielte.

Als der sehr stark sehbehinderte Kindesvater auch noch völlig ertaubte, versetzte ihn die Stadt B. auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens mit Wirkung vom April 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Seitdem bezieht er nur noch Versorgungsbezüge i.H.v. netto 1.496 EUR monatlich. Außerdem geht er einer Nebentätigkeit nach, mit der er netto ca. 65 EUR monatlich hinzuverdient, und er hat Einkünfte aus Kapitalvermögen von ca. 39 EUR monatlich.

Mit Rücksicht darauf hat der Kindesvater am 6.4.2006 eine Klage auf Herabsetzung des in den beiden Jugendamtsurkunden titulierten Kindesunterhaltes eingereicht. Auf die Titelabänderungsklage hat das FamG den in den beiden Jugendamtsurkunden titulierten Kindesunterhalt durch Urteil vom 18.9.2006 für die Zeit ab April 2006 auf jeweils 43 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung herabgesetzt. Gegen diese Entscheidung wenden sich die beiden beklagten Kinder mit ihren Berufungen, mit denen jeweils eine Abweisung der Titelabänderungsklage - also eine Heraufsetzung des Kindesunterhalts auf den in den Jugendamtsurkunden titulierten Kindesunterhalt - erstrebt wird.

II. Die zulässigen Berufungen sind überwiegend begründet, weil der in den beiden Alttiteln titulierte Kindesunterhalt nur auf 94,2 bzw. 94,3 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung herabzusetzen ist, wie aus dem Tenor hervorgeht:

1. Die beiden beklagten Kinder werden - nachdem der Senat seine bisherige ständige Rechtsprechung aufgegeben hat - von der Kindesmutter vertreten, auch wenn der Gesetzeswortlaut die Vertretung von Kindern durch nur einen lediglich mitsorgeberechtigten Elternteil lediglich für Fälle der "Geltendmachung" von Kindesunterhalt vorsieht (§ 1629 Abs. 2 BGB). Mit Rücksicht auf diesen Gesetzeswortlaut hat der Senat zwar bislang in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass sich die Vertretungsbefugnis allein auf Aktivprozesse klagender Kinder erstreckt und es bei Passivprozessen gegen beklagte Kinder zu deren Vertretung der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf (§ 1909 BGB). Diese ständige Rechtsprechung hat der Senat aber aufgegeben, weil auch in der Verteidigung gegen eine Klage auf Herabsetzung titulierten Kindesunterhaltes (§ 323 ZPO) inzidenter eine - weitere - "Geltendmachung" des bereits titulierten Kindesunterhaltes zu sehen ist (so auch Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1629 Rz. 30, 40 m.w.N.). Die neue Senatsrechtsprechung steht im Einklang mit der jetzigen Auslegung der Bestimmung zu § 1712 Ab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge