Leitsatz

Der Vater zweier minderjähriger Kinder aus einer zwischenzeitlich geschiedenen Ehe begehrte Herabsetzung des von ihm zu zahlenden Kindesunterhalts, der durch Jugendamtsurkunden tituliert worden war. Geschäftsgrundlage dieser Urkunden war die Tätigkeit des Kindesvaters als Stadtobersekretär und sein hieraus erzieltes Nettoeinkommen von 1.830,00 EUR monatlich.

Nachdem der stark sehbehinderte Kindesvater auch noch sein Gehör verloren hatte, versetzte ihn sein Arbeitgeber aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens mit Wirkung vom April 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Seither bezog er nur noch Versorgungsbezüge i.H.v. netto 1.496,00 EUR monatlich. Aus einer Nebentätigkeit erzielte er 65,00 EUR, ferner hatte er Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 39,00 EUR monatlich.

Auf die Titelabänderungsklage hat das erstinstanzliche Gericht den in den beiden Jugendamtsurkunden titulierten Kindesunterhalt herabgesetzt. Hiergegen wandten sich die beiden beklagten Kinder mit ihren Berufungen. Ihre Rechtsmittel hatten überwiegend Erfolg.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Unter Hinweis auf die damit verbundene Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung wies das OLG darauf hin, dass die beiden beklagten Kinder von der Kindesmutter vertreten würden, wenngleich der Gesetzeswortlaut die Vertretung von Kindern durch einen mitsorgeberechtigten Elternteil lediglich für Fälle der "Geltendmachung" von Kindesunterhalt vorsehe (§ 1629 Abs. 2 BGB).

Mit Rücksicht auf diesen Gesetzeswortlaut habe der Senat bislang in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass sich die Vertretungsbefugnis allein auf Aktivprozesse klagender Kinder erstrecke und es bei Passivprozessen gegen beklagte Kinder zu deren Vertretung der Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1909 BGB bedürfe.

Diese ständige Rechtsprechung werde nun aufgegeben, weil auch in der Verteidigung gegen eine Klage auf Herabsetzung titulierten Unterhalts inzidenter eine - weitere - "Geltendmachung" des bereits titulierten Unterhalts zu sehen sei (so auch Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1629 Rz. 30, 40 m.w.N.).

Bei Titelabänderungsklagen gegen Alttitel - zu denen auch Jugendamtsurkunden gehörten - richteten sich die Abänderungsvoraussetzungen materiell-rechtlich nach § 313 BGB n.F.. Eine Abänderung eines solchen Alttitels setze mithin eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage voraus, die dem Alttitel zugrunde gelegen habe.

Nur soweit sich die Geschäftsgrundlage des Alttitels verändert habe, sei seine Abänderung erlaubt. Dabei sei unerheblich, ob die Geschäftsgrundlage zu Recht dem Titel zugrunde gelegt worden sei. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sei, sei keine "freie" Neufestsetzung des in einem Alttitel titulierten Unterhaltsanspruchs zulässig. Man spreche daher von einer fortbestehenden "Bindungswirkung" des abzuändernden Alttitels (vgl. zum Ganzen Zöller/Vollkommer a.a.O., § 323 Rz. 41 m.w.N.).

 

Link zur Entscheidung

OLG Naumburg, Urteil vom 22.02.2007, 8 UF 185/06

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