Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich entfällt für die mitversicherte Person der Versicherungsschutz aus einer vorläufigen Deckungszusage nicht, weil der Versicherungsnehmer die erste Prämie nicht zahlt. Im Rückforderungsprozess trägt der Versicherer die Beweislast für die objektiven Voraussetzungen der Obliegenheitsverletzung (hier: Fahren ohne Fahrerlaubnis des indischen Fahrers), für sein Verschulden und für die Kausalität, § 6 Abs. 2 VVG.
Letztlich hat der Versicherer bei einem ausländischen Kraftfahrer, der nicht im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis ist, nachzuweisen, ob der Unfall bzw. Versicherungsfall darauf zurückzuführen ist, dass er zum Führen eines Kfz nicht in der Lage war.
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 12.09.2003; Aktenzeichen 4 O 572/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.9.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Dessau abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird als Gesamtschuldner neben dem bereits durch Vollstreckungsbescheid des AG Hamburg (Geschäftszeichen: 02-0820948-1-2) vom 30.1.2003 verurteilten D. D., verurteilt, an die Klägerin 5.112,92 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2003 und vorgerichtliche Mahnkosten von 2,56 Euro zu zahlen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin zu 3/8 und der Beklagte zu 5/8. Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 Euro nicht.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 5.112,92 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Versicherungsleistungen geltend.
Am 13.8.2001 war der Beklagte an einen Verkehrsunfall mit dem PKW der Marke VW Golf, amtliches Kennzeichen ..., beteiligt. Fahrzeughalter war D. D., der bei der R.- AG für den Pkw VW Golf eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte. Zwischenzeitlich übernahm die Klägerin deren Gesamtbestand an Kfz-Haftpflichtversicherungsverträgen.
Die R.-AG hatte dem Fahrzeughalter vor dem in Rede stehenden Verkehrsunfall eine vorläufige Deckungszusage erteilt. Der Versicherungsschein wurde diesem am 12.11.2001 verbunden mit einer Rechnung über die Erstprämie übersandt. Dem Vertrag sollten ausweislich des Versicherungsscheins die Allgemeinen Bedingungen für Kraftfahrtversicherung der Versicherung Stand 1.10.1999 - zugrunde liegen. Wegen der AKB wird auf Bl. 67 ff. d.A. Bezug genommen. Die Erstprämie wurde von dem Fahrzeughalter nicht bezahlt.
Zur Zeit des Unfalls verfügte der Beklagte nicht über eine in Deutschland gültige Fahrerlaubnis, sondern nur über eine indische.
Die Versicherung wies D. D. unter dem 4.2.2002 darauf hin, dass die vorläufig gewährte Deckung wegen des Prämienverzugs rückwirkend außer Kraft getreten sei. Nach dem Pflichtversicherungsgesetz müsse sie zwar begründete Ersatzansprüche von Dritten ausgleichen; ihre Aufwendungen habe er aber zu erstatten. Wegen des Schreibens wird auf Bd. I Bl. 108 d.A. Bezug genommen.
Die Versicherung regulierte ggü. dem Geschädigten, dem Straßenbauamt W., Reparaturkosten, Gutachterkosten, Nutzungsausfall, Krankenkosten und Auslagen i.H.v. insgesamt 8.006,17 Euro.
Zuletzt forderte die Klägerin den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2002 zur Erstattung der Regulierungssumme auf.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei gem. § 2b Nr. 1c AKB verpflichtet, die geleisteten Ersatzansprüche sowie vorgerichtliche Mahnkosten i.H.v. 2,56 Euro an sie zu erstatten.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe den Verkehrsunfall alleine verursacht. Der Schaden, der durch die Nichtbeachtung der Verkehrsvorschriften verursacht worden sei, stehe in einem offensichtlichen Zusammenhang mit der fehlenden Fahrerlaubnis des Beklagten. Der Unfallhergang ergebe sich aus der Verkehrsunfallzeichnung der Ermittlungsakten, Bd. I Bl. 119 d.A., und den Aussagen der Zeugen S. und L., Bd. I Bl. 114 ff. d.A.
Die Schäden des Unfallgegners seien tatsächlich entstanden und von ihr vollumfänglich zu regulieren gewesen, was sich aus den Fotos der Ermittlungsakten, Bd. I Bl. 110-113, und dem Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros Sch., Bd. I Bl. 122 ff. d.A., ergebe.
Der Geschädigte L. sei ausweislich des Berechnungsbogens, Bd. I Bl. 120 f. d.A., vom 13.8.2001 bis zum 22.8.2001 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, so dass sie dem Land Sachsen-Anhalt die Ansprüche des Geschädigten nach § 6 EntGFZG zu erstatten gehabt habe.
Die Klägerin hat nach einer teilweise Klagerücknahme zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner mit Herrn D. D. 5.112,92 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2002 sowie vorgerichtliche Mahnkosten von 2,56 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, er sei in seinem Heimatland bereits 8 Jahre unfallfrei gefahren. Er habe seit...