Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vertragsklausel in einem Liefervertrag über Trinkwasser, mit der die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Anschlussnehmers für die Errichtung eines Wasserzählerschachtes an der Grundstücksgrenze dahin konkretisiert werden, dass eine "unverhältnismäßig lang(e)" Anschlussleitung i.S.v. § 11 Abs. 1 AVBWasserV bei einer Entfernung zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude von mehr als 20 Metern anzunehmen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

2. Die Vertragsklausel benachteiligt den Anschlussnehmer jedoch dann unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, wenn in ihr bei Vorliegen der konkret bezeichneten Voraussetzungen stets eine Verpflichtung des Anschlussnehmers zur Errichtung des Wasserzählerschachtes an der Grundstücksgrenze vorgesehen ist, während § 11 Abs. 1 AVBWasserV dem Versorgungsunternehmer ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumt, dessen Ausübung gem. § 315 Abs. 1 und 3 BGB für den Anschlussnehmer nur verbindlichen ist, wenn sie der Billigkeit entspricht.

3. Zur Billigkeitsprüfung nach § 11 Abs. 1 AVBWasserV.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 27.10.2009; Aktenzeichen 11 O 1076/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.10.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das von der Klägerin mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag verfolgte Klageziel, nämlich für das Grundstück Sch. straße 18 in S. OT B. die Erlaubnis zur Verwendung eines Wasserzählers im hinteren Nebengebäude - dem sog. C. haus - zu erhalten und damit keinen Wasserzählerschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichten zu müssen, entbehrt der rechtlichen Grundlage.

1. Allerdings bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin. Bei der Klägerin handelt es sich zwar nicht um die Eigentümerin des mit Trinkwasser zu versorgenden Grundstücks, sie ist jedoch aufgrund eines Vertrages mit dem Grundstückseigentümer T. E. zur Nutzung berechtigt. § 11 AVBWasserV und ebenso § 7 der Lieferbedingungen des beklagten Verbandes begründen eine Verpflichtung des "Anschlussnehmers". Wie sich aus der in § 10 Abs. 8 AVBWasserV getroffenen Regelung ergibt, muss der "Anschlussnehmer" nicht mit dem Grundstückseigentümer personengleich sein. Dementsprechend sieht § 2 Abs. 1 der Lieferbedingungen des Beklagten vor, dass der Versorgungsvertrag in Ausnahmefällen auch mit dem Nutzungsberechtigten abgeschlossen werden kann, wobei allerdings für die Herstellung des Hausanschlusses die Zustimmung des Eigentümers vorzulegen ist. Im vorliegenden Fall hat der Trink- und Abwasserverband, indem er den Antrag der Klägerin vom 10.8.2007 auf Herstellung eines Trinkwasseranschlusses in seinem Schreiben vom 20.9.2007 "genehmigte", die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, die Klägerin als Kundin mit Wasser zu versorgen.

2. Nach § 7 der Lieferbedingungen des beklagten Verbandes hat der Anschlussnehmer auf eigene Kosten einen geeigneten Wasserzählerschacht bzw. einen beheizbaren Wasserzählerschrank an der Grundstücksgrenze u.a. dann anzubringen, wenn die Länge der Anschlussleitung zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude mehr als 20 m beträgt. Diese Lieferbedingungen sind, vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. 3., Bestandteil des Versorgungsvertrages geworden (s. § 1 Abs. 1 S. 2 AVBWasserV). Danach wäre die Klägerin hier aufgrund des geschlossenen bzw. neu zu schließenden Versorgungsvertrages verpflichtet, einen Wasserzählerschacht zu errichten, weil das C. haus unstreitig ca. 65 bis 70 m von der Grundstücksgrenze zur A. Straße entfernt und die Anschlussleitung zwischen Grundstücksgrenze und Schlossgebäude noch wesentlich länger ist.

3. Die in § 7 Abs. 1 S. 1 der Lieferbedingungen geregelte, unbedingte Verpflichtung des Anschlussnehmers zur Anbringung eines Wasserzählerschachts an der Grundstücksgrenze steht jedoch nicht in vollem Umfang im Einklang mit § 11 Abs. 1 AVBWasserV, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBWasserV für eine solche Abweichung erfüllt wären oder auch nur behauptet würden. Infolgedessen beurteilt sich die Rechtslage unmittelbar nach § 11 Abs. 1 AVBWasserV; das rechtfertigt im Ergebnis aber keine der Klägerin günstigere Entscheidung.

a) Zwar begegnet es entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Bedenken, dass der beklagte Verband die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Errichtung eines Wasserzählerschachts in seinen Lieferbedingungen dahingehend konkretisiert hat, dass eine "unverhältnismäßig lang(e)" Anschlussleitung i.S.d. § 11 Abs. 1 AVBWasserV bei einer Länge der Anschlussleitung zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude von mehr als 20 m anzunehmen ist (vgl. auch Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Bd. 2, § 11 AVBWa...

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