Leitsatz (amtlich)
Bei einem Bankett handelt es sich um den Seitenstreifen neben einer Fahrbahn, der u.a. den Zweck hat, abirrende Fahrzeuge gegebenenfalls zu sichern. Im Hinblick darauf kann der Kraftfahrer im Allgemeinen damit rechnen, dass er mit seinem Fahrzeug gefahrlos auf das Bankett ausweichen kann, allerdings nur mit einer geringen Geschwindigkeit. Bei einem erkennbar unbefestigten Seitenstreifen, der mithin nicht die Qualität eines Banketts aufweist, darf der Verkehrsteilnehmer nicht davon ausgehen, diesen - sei es auch nur langsam - befahren zu können.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 15.03.2013; Aktenzeichen 4 O 535/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.3.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau zum Geschäftszeichen 4 O 535/12 abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.040,47 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 313a Abs. 1, 544 Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadenersatz. Die beklagte Stadt haftet der Klägerin insbesondere nicht aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung.
Das beklagte Stadt ist zwar gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 42 Abs. 1 Satz 3 StrG LSA Träger der Straßenbaulast für den unfallörtlichen Feldweg, der ersichtlich als Gemeindestraße einzustufen ist. Die mit der Unterhaltung und der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen zusammenhängenden Pflichten obliegen den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften und Behörden in Sachsen-Anhalt gem. § 10 Abs. 1 StrG LSA als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Die Träger der Straßenbaulast haben gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 StrG LSA nach ihrer Leistungsfähigkeit auch die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten und hierbei sonstige öffentlichen Belange zu berücksichtigen. Die bautechnische Sicherheit verlangt gem. § 10 Abs. 2 StrG LSA die Herstellung und Unterhaltung der Straßen in einem den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand unter Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und der Technik. Die Verkehrssicherungspflicht des beklagten Landes erstreckt sich auf die Abwendung von Gefahren der Straße für die Verkehrsteilnehmer. Stets sind das Maß des Gefahrenpotentials und die wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Gefahrenabwehr zu berücksichtigen. Hiernach beurteilt sich, welche konkreten Maßnahmen die beklagte Stadt unter Berücksichtigung der konkreten Gefahrenlage und der örtlichen Gegebenheiten zu veranlassen hat, um Gefahren von den Verkehrsteilnehmern fernzuhalten.
Grundsätzlich unterliegt auch ein sog. Bankett der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastpflichtigen. Es ist - unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten Funktion für den fließenden Verkehr - von solchen Gefahrenstellen freizuhalten, die wegen ihrer nicht rechtzeitigen Erkennbarkeit die Möglichkeit eines Unfalls auch für den Fall nahelegen, dass der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt. Bei einem Bankett handelt es sich um den Seitenstreifen neben einer Fahrbahn, der verkehrstechnisch den Zweck hat, die volle Ausnutzung der Fahrbahn zu ermöglichen, soweit vorhanden den Lichtraum zwischen Fahrbahn und Leiteinrichtung freizuhalten und abirrende Fahrzeuge gegebenenfalls zu sichern. Im Hinblick auf diese Funktion eines Banketts kann der Kraftfahrer im Allgemeinen damit rechnen, dass er mit seinem Fahrzeug gefahrlos auf dieses ausweichen kann; allerdings gilt dies nur für ein gefahrloses Befahren mit einer geringen Geschwindigkeit. Bei einem erkennbar unbefestigten Seitenstreifen, der mithin nicht die Qualität des Banketts aufweist, darf der Verkehrsteilnehmer nicht davon ausgehen, diesen - sei es auch nur langsam - befahren zu können (OLG Brandenburg, Urteil zu 2 U 12/06 vom 13.2.2007, zitiert nach juris, Rz. 11).
An einer solchen Stelle ereignete sich der streitgegenständliche Unfall. Der Führer des klägerischen Fahrzeuges war so weit von der Fahrbahn des Feldweges abgekommen, dass sich der durch den Unfall beschädigte Reifen an einem Ort befand, der nicht mehr in einem Zustand zu halten war, dass er (weitgehend) gefahrlos befahren werden konnte. Es kann dahinstehen, ob die Einschätzung des LG zutreffend ist, dass die neben der Fahrbahn des Feldweges gelegene Fläche überhaupt als zumindest in Notfällen befahrbarer Seitenstreifen angesehen werden kann. Die vom LG dafür herangezogenen Argumente, nämlich die verhältnismäßig geringe Breite der Fahrbahn des Feldweges und seine Bestimmung, in erster Linie durch recht breite Fahrzeuge befahren zu werden, sprechen da...