Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Auto, dass aus Deutschland fabrikneu in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union exportiert worden war, als gebrauchtes Kfz wieder nach Deutschland importiert, muss der Händler (Verkäufer) dem Käufer diese Tatsache offenbaren.
2. Der Umstand, dass es sich um ein reimportiertes Kfz handelt, ist auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt zurzeit noch ein erheblicher preisbildender Faktor. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, kann der Käufer den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten.
3. Aus der Richtlinie 1999/44 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7.7.1999 L 171) oder aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften folgt zwar nicht, dass die Reimporteigenschaft des gebrauchten Kfz als Sachmangel i.S.d. § 434 BGB zu bewerten ist. Aber zugunsten des Verkäufers ist aus der Verbraucherschutzrichtlinie andererseits auch nicht abzuleiten, dass der Gebrauchtwagenhändler (Letztverkäufer) dem Verbraucher (Käufer) die Reimporteigenschaft verschweigen darf.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 9 O 209/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.12.2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Halle - Einzelrichterin - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 12.062,50 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 24.6.2004 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Audi A 2, 1,4, Fahrgestell-Nr. ..., zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten Pkw Audi A 2 seit dem 24.1.2005 in Annahmeverzug befindet.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte betreibt einen Gebrauchtwarenhandel. Die Klägerin möchte ein bei ihr gekauftes Kfz Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückgeben, da die Beklagte ihr verschwiegen habe, dass das Fahrzeug aus Spanien reimportiert worden ist.
Das LG hat mit am 21.12.2004 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass keine Pflicht bestanden habe, die Klägerin darüber aufzuklären, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein sog. EU-Fahrzeug handele. Das Fahrzeug habe keine Ausstattungsmängel aufgewiesen und hätte sofort zugelassen werden können. Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.1.2005 zugestellte Urteil am 15.2.2005 Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 5.4.2005 begründet.
Sie wiederholt ihre Rechtsauffassung, dass die Beklagte sie über die Reimporteigenschaft des Fahrzeuges hätte aufklären müssen. Dies stelle einen preisbildenden Faktor dar, den der Vertragspartner auch ungefragt hätte offenbaren müssen. Sie räumt ein, dass sie sich die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Diese Nutzungen hatte sie mit Schriftsatz vom 15.12.2004 (Bl. 72 d.A.) bereits mit 437,50 EUR beziffert.
Die Klägerin beantragt, das am 21.12.2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Halle - Einzelrichterin - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.500 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 24.6.2004 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Audi A 2, 1,4, Fahrgestellnummer ..., zu zahlen,
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückgabe des genannten Pkw Audi A 2 seit dem 14.4.2004 in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die landgerichtliche Entscheidung insb. dem Europäischen Kaufrecht gerecht werde. Es sei mit dem angestrebten freien Warenverkehr innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht zu vereinbaren, dem Verkäufer eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Importeigenschaft aufzuerlegen. Herkunftsangabepflichten seien sowohl wegen der dadurch verursachten Kosten als auch wegen des "potentiellen nachfragemindernden Effekts" nach Art. 28 EGV unzulässig. Sie seien "Maßnahmen gleicher Wirkung" im Sinne dieser Vorschrift. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Senat hat zur Frage Beweis erhoben, ob das verkaufte Fahrzeug, da es aus Spanien reimportiert worden war, auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen um 10 % geringeren Wert gehabt habe, als ein vergleichbares Fahrzeug mit einer Erstzulassung in Deutschland, und gem. Beweisbeschluss vom 13.7.2005 (Bl. 168 f. d.A.) ein schriftliches Sachverständigengutachtens eingeholt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H.-U. Sch. vom 28.10.2005 sowie auf seine mündliche Anhörung im Termin vom 9.11.2005 verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gem. § 812 Abs. 1 S. 2 erste Variante BGB, da sie den Vertr...