Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer verfassungskonformen, insb. auch mit dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 43b BRAO ist das Verbot der Einzelfallmandatswerbung restriktiv auszulegen. Es ist nicht gleichzusetzen mit der – zulässigen – Werbung um einzelne Mandanten und nicht schon immer dann verletzt, wenn der Anwalt sein Ziel, in einer konkreten Angelegenheit mandatiert zu werden, zu erkennen gibt. Abzustellen ist auf Bewertung der Relation zwischen der Intensität des konkreten Beratungsbedarfs (Notsituation) und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung (Bedrängung, Nötigung, Überrumplung).
2. Eine anwaltliche Werbung ist wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG, wenn sie mit dem grundrechtlich geschützten Recht der Empfänger der Werbung auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar ist. Die ist der Fall, wenn sich der Rechtsanwalt eines in nach § 28 und 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG unzulässiger Weise beschafften Anschriftenverzeichnisses bedient.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 20.12.2002; Aktenzeichen 7 O 383/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.12.2002 verkündete Urteil des LG Halle, 7 O 383/02, unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen, welche Geschäftsanteile an einem oder mehreren der T. Immobilienfonds KG 1–8 erworben haben und die weder Mandanten der Beklagten sind noch in eine Verwendung ihrer bei der Vermittlung bzw. beim Erwerb der o.g. Fondsanteile angegebenen Adressen zur Übersendung von Anwaltswerbung eingewilligt haben, unter Verwendung dieser Adressenangaben unaufgefordert Anschreiben zu übersenden, welche Auskünfte über Rspr. oder sonstige rechtliche Entwicklungen enthalten, die im Zusammenhang mit einem T. Immobilienfonds stehen oder hierfür von Bedeutung sein können,
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen, welche Geschäftsanteile an einem oder mehreren der T. Immobilienfonds KG 1–8 erworben haben und die weder Mandanten der Beklagten sind noch in eine Verwendung ihrer bei der Vermittlung bzw. beim Erwerb der o.g. Fondsanteile angegebenen Adressen zur Übersendung von Anwaltswerbung eingewilligt haben, unter Verwendung dieser Adressenangaben unaufgefordert Einladungen zu Informationsveranstaltungen zu übersenden, in denen Auskünfte über Rspr. oder sonstige rechtliche Entwicklungen erteilt werden, die im Zusammenhang mit einem T. Immobilienfonds stehen oder hierfür von Bedeutung sein können.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Beklagten zu 60 % und die Kläger zu 40 % tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch die Kläger wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.
Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten auf Unterlassung von ihrer Auffassung nach unlauteren und standeswidrigen Werbemaßnahmen in Anspruch.
Die Kläger und die Beklagten sind Rechtsanwälte, die jeweils Mandate von Kapitalanlegern in verschiedenen T. Immobilienfonds KG's betreuen.
Die Fondsanteile der T. Immobilienfonds KG 1 bis 8 (künftig: o.g. Immobilienfonds) waren bundesweit, u.a. auch über diverse Bank- und Kreditinstitute, vertrieben worden. Ein Teil der Anleger hatte den Fondsanteilserwerb über eine Kreditaufnahme finanziert. Die o.g. Immobilienfonds waren spätestens im Jahre 2001 notleidend geworden, so dass in den Fällen der kreditfianzierten Kapitalanlage trotz ausbleibender Einnahmen aus dem Fonds Zinsen an das Kredit gewährende Unternehmen zu zahlen waren.
Die Kläger und die Beklagten betreuen jeweils u.a. auch Mandate, in denen es um das Kreditverhältnis zwischen einem Kapitalanleger der o.g. Immobilienfonds und der B. Bausparkasse AG (künftig: Bausparkasse), einer der o.g. Bank- und Kreditinstitute, geht. Mit seinem Urt. v. 13.12.2001 (vgl. EuGH v. 13.12.2001 – Rs. C-481/99, MDR 2002, 225 = WM 2001, 2434) hatte der EuGH in einem in Deutschland geführten Rechtsstreit entschieden, dass auf Darlehensverträge, die nach dem 1.1.1991 in einer „Haustür”-Geschäftssituation geschlossen worden sind, entgegen § 5 HaustürWG a.F. trotz der Anwendbarkeit des VerbrKrG auch die Bestimmungen des HaustürWG anwendbar sind und somit eine (weitere) Widerrufsmöglichkeit eröffnet ist.
Dieses Urteil nahmen die Beklagten zum Anlass, unter dem 20.12.2001 ein Informa...