Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt ein Gericht an, der Kläger habe nach § 649 Satz 2 BGB abzurechnen, habe aber erbrachte und nicht erbrachte Leistungen nicht hinreichend voneinander abgegrenzt und keine ersparten Aufwendungen dargelegt, so muss es darauf hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

2. Die Kündigung lässt die bis dahin fällig gewordenen und nicht erfüllten Leistungspflichten unberührt. Der Besteller kann deshalb auch die Beseitigung von Mängeln am bis zur Kündigung hergestellten Werk verlangen und Mangelrechte geltend machen, ohne dass es dafür der vorherigen Abnahme bedarf. Macht er Mangelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 BGB geltend, entsteht ohne weiteres ein Abrechnungsverhältnis.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 03.07.2012; Aktenzeichen 11 O 1646/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.7.2012 verkündete Urteil des LG Magdeburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.600,82 EUR nebst Zinsen für das Jahr i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.7.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 8.050,45 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil des LG beruht auf einer Rechtsverletzung, denn die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Im Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme (§§ 538 Abs. 1, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Restwerklohnanspruch von 7.247,65 EUR nebst Zinsen, der um 1.291 EUR gemindert und im Umfang von 2.600 EUR, 309,70 EUR und 446,13 EUR durch die Aufrechnungen des Beklagten mit Aufwendungsersatz- und Schadensansprüchen nach mangelbedingter Selbstvornahme erloschen ist (§§ 631 Abs. 1, 389, 387, 388, 633 Abs. 1, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 634 Nr. 3, 638 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB; § 287 Abs. 2 ZPO).

1. Das LG Magdeburg hat die Klage mit Urteil vom 3.7.2012 als zurzeit unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Vertrag der Parteien sei durch die Kündigung des Beklagten vom 6.6.2009 vorzeitig beendet worden und deshalb nach § 649 Satz 2 BGB abzurechnen. Die erste Kündigung hätten die Parteien einvernehmlich für gegenstandslos erklärt, nachdem die Klägerin die Nachbesserungsarbeiten aufgenommen habe. Gleichwohl sei die Abnahme Fälligkeitsvoraussetzung und die Klägerin könne angesichts ihrer Abrechnung, die keine ersparten Aufwendungen erkennen lasse, nicht erwarten, dass sich der Beklagte zur Abnahme der tatsächlich erbrachten Leistungen bereitfinde. Es fehle an einem prüffähigen und fälligen Anspruch, der von der Klägerin erst einmal beziffert werden müsse.

2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat nicht stand:

a) Zunächst rügt die Klägerin zu Recht einen wesentlichen Mangel des Verfahrens. Wenn das LG meint, die Klägerin habe nach § 649 Satz 2 BGB abzurechnen und die Klageforderung sei daher nicht schlüssig dargelegt, weil die Klägerin erbrachte und nicht erbrachte Leistungen nicht hinreichend voneinander abgrenze und keine ersparten Aufwendungen darlege, hätte es hierauf hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen (§ 139 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

b) Außerdem geht das LG zwar richtig von der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für den Vergütungsanspruch aus (BGH NJW 2006, 2475, 2476; Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 649 Rz. 4, 5; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 649 Rz. 6). Unberücksichtigt bleibt allerdings, dass der Beklagte die Abnahmereife durch die Selbstvornahme herbeigeführt (Busche in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 637 Rz. 6) und keine Nacherfüllung mehr verlangt hat, sondern aufrechnet und die Vergütung mindert. Ist der Erfüllungsanspruch entfallen, weil der Besteller Mangelrechte nach § 634 Nr. 2 und Nr. 3 BGB geltend macht, entsteht ein Abrechnungsverhältnis, ohne dass es zur Fälligkeit des Werklohns noch der Abnahme bedarf (BGH NJW 2009, 360, 361; Palandt/Sprau, § 641 Rz. 4).

c) Das LG ist von zwei Kaufverträgen und einem Werkvertrag ausgegangen. Auch dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Parteien haben einen einheitlichen Werkvertrag geschlossen.

Wenn sich der Auftrag vom 16.11.2007 ausschließlich auf die Montage bezogen hätte, würde es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag gehandelt haben (PWW/Schmidt, BGB, 8. Aufl., § 434 Rz. 66 ff.; Palandt/Weidenkaff, § 434 Rz. 40 f.; vor § 433 Rz. 19 m.w.N.). Der Auftrag ...

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