Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich hat der Besteller zunächst nur den Nacherfüllungsanspruch nach § 635 BGB. Erst wenn er dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist, wenn nicht die Fristsetzung nach § 636 BGB oder § 637 Abs. 2 S. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich ist, stehen ihm weitere Rechte, insbesondere die nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB oder nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB zu. Dann hat er die Wahl zwischen den gesetzlichen Mängelrechten einschließlich des Selbstvornahmerechtes nach § 637 BGB.

2. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 637 BGB führt nicht dazu, dass der Besteller sein Selbstvornahmerecht verliert. Denn das Gesetz behandelt die Selbstvornahme nach § 637 BGB den anderen Mängelrechten gleich und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist auch Voraussetzung der Selbstvornahme.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Urteil vom 11.08.2009; Aktenzeichen 23 O 487/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.8.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 3 des LG Stendal aufgehoben.

Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges entscheiden wird.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Parteien übersteigt jeweils 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Auf Grundlage eines Werkvertrages über ein neu zu deckendes Dach macht der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vorschuss für die Kosten der Mängelbeseitigung geltend.

Mit Vertrag vom 11.6.2004 beauftragte der Kläger die Beklagte zu 1), das Dach seines Hauses neu einzudecken, wobei der Kläger selbst das Material liefern wollte. Nach dem Ende der Arbeiten, die der Kläger nicht abgenommen hat, stellte er Mängel an dem Dach fest. Vor dem AG Osterburg führte der Kläger ein Beweissicherungsverfahren gegen die Beklagten durch, in welchem der Sachverständige die Mangelhaftigkeit bestätigte und die voraussichtlichen Kosten zur Mängelbeseitigung auf 36.945,47 EUR bezifferte.

Mit Schreiben vom 13.8.2008 forderte der Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte zu 1) auf, die Mängel am Dach bis zum 30.8.2008 zu beseitigen und drohte für den Fall fruchtlosen Fristablaufs die Ablehnung weiterer Nacherfüllung an. Im Einzelnen hatte das Schreiben folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Kollege St.,

in vorbezeichneter Angelegenheit ergibt sich aus Ihrer Stellungnahme im Beweissicherungsverfahren, dass Sie die Anspruchsgegner vertreten.

Nachdem durch das Gutachten unstreitig feststeht, dass das von Ihrer Mandantschaft erbrachte Werk mangelbehaftet ist, bitten wir Sie für Ihre Mandantschaft zu erklären, ob diese bis zum

30.8.2008

die vom Sachverständigen festgestellten Mängel beseitigen werden.

Sollte Ihre Mandantschaft nicht bis zu dieser Frist erklären und aufzeigen, bis wann die Mängel abgearbeitet werden, werden wir unsere Mandantschaft anraten, im Wege der Ersatzvornahme ein Drittunternehmen zu beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten werden durch Ihre Mandantschaft zu tragen sein.

Bitte teilen Sie Ihrer Mandantschaft mit, dass diese Aufforderung als abschließende Aufforderung mit Ablehnungsandrohung zu verstehen ist.

Ihre Mandantschaft wird ohnehin für die Kosten des Verfahrens aufkommen müssen."

Die Beklagte hat auf dieses Schreiben nicht reagiert.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Verantwortung für die vom Sachverständigen festgestellten Mängel lägen allein bei der Beklagten zu 1). Er, der Kläger, habe zwar beim Abdecken des alten Daches geholfen, nicht aber bei den streitgegenständlichen Eindeckungsarbeiten. Soweit er das Material angeschafft habe, sei dies nach den Angaben der Beklagten geschehen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 36.945,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch des Weiteren zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 1.419,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Kosten des vorausgegangenen Beweissicherungsverfahrens von den Beklagten zu tragen sind.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Kläger sei für etwaige Materialmängel verantwortlich, da er selbst das unzulängliche Material geliefert haben. Außerdem, so haben die Beklagten behauptet, hätten sie auf fehlerhafte Vorgewerke ausdrücklich hingewiesen. Sie hätten ihn auch darauf hingewiesen, dass die von ihm gewünschte Ausführung den Regeln der Technik nicht entsprechen. Trotz dieser ausdrücklichen Hinweise der Beklagten zu 1) habe der Kläger sich aus Kostengründen für die technisch unzureichende Dacheindeckung entschieden. Er könne deshalb die Beklagten nicht für die festgestellte...

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