Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines Grundurteils über den Anspruch des Eigentümers eines mit einer Gaststätte bebauten Grundstücks auf angemessenen Ausgleich bei Schließung der Gaststätte wegen Felssturzgefahr.
2. Ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich wegen rechtmäßiger Inanspruchnahme als Nichtstörer ist nicht deshalb unbegründet, weil der Anspruchsteller als Störer hätte in Anspruch genommen werden müssen.
3. Falls von einem Grundstück, das in einem Gebirgstal liegt, ein Felsblock auf ein benachbartes Grundstück zu stürzen droht, auf dem eine Gaststätte betrieben wird, und falls deshalb die Gaststätte zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit von Gästen und Personal geschlossen werden soll, ist der Eigentümer des Gaststättengrundstücks als Nichtstörer in Anspruch zu nehmen.
4. Ein Anspruch des Gaststätteneigentümers auf angemessenen Ausgleich wegen rechtmäßiger Inanspruchnahme als Nichtstörer ist nicht deshalb unbegründet, weil der Landkreis die Schließung der Gaststätte in eigener Zuständigkeit und auf eigene Kosten hätte verfügen müssen und nicht anstelle und auf Kosten der Stadt.
5. Für die Höhe eines Anspruchs auf angemessenen Ausgleich gemäß §§ 69, 70 SOG LSA gilt Entsprechendes wie für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch; bei vorübergehenden Eingriffen in den Gewerbebetrieb kann der Ausgleichsbemessung unmittelbar der während der Dauer der Beeinträchtigung eingetretene Ertragsverlust bzw. der ausgebliebene Gewinn zugrunde gelegt werden.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen 10 O 1464/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und ihres Streithelfers gegen das Grundurteil des Landgerichts Magdeburg vom 10.05.2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers der Beklagten trägt der Streithelfer der Beklagten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 176.909,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die Inanspruchnahme durch einen Bescheid des Landkreises H. vom 05.07.2012 (Anlage K 1, Bd. I Bl. 7 ff. d.A.) geltend. Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks im B. Tal; dort betreibt er die Gaststätte und Pension "K.". Der Weg durch das B. Tal, der insbesondere von Wanderern genutzt wird, verläuft in der Umgebung der Gaststätte des Klägers zwischen beidseitig steil aufragenden Hang- und Felsformationen. Nach einem Felssturz in der näheren Umgebung des Grundstücks des Klägers am 08.06.2012 wurde die Gaststätte und Pension durch den Bescheid des Landkreises H. vom 05.07.2012 geschlossen; dabei handelte der Landkreis H. unter Berufung auf § 90 Abs. 1 SOG LSA anstelle und auf Kosten der Beklagten. Bis zum Widerruf des Bescheides, der am 29.11.2012 erklärt wurde, konnte der Kläger keine Gäste bewirten oder beherbergen. Über einen am 16.07.2012 gegen die Schließungsverfügung eingelegten Widerspruch wurde wegen des Widerrufs der Schließungsverfügung nicht mehr entschieden.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, gestützt auf § 69 Abs. 1 SOG LSA, Ausgleich für den durch die Schließung der Gaststätte und Pension in der Zeit von Juli bis November 2012 entgangenen Gewinn, der bei Vergleich mit den Einnahmen aus den Monaten Juli bis November der Vorjahre 2009 bis 2011 zu erwarten gewesen wäre. Die Nachteile aus der Betriebsunterbrechung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.04.2016 mit 130.611,76 EUR beziffert (Bd. III Bl. 2 ff., 44 d.A.). Darüber hinaus hat er mit Schriftsatz vom 24.11.2015 (Bd. II Bl. 79 ff. d.A.) Ausgleich für weitere Schäden in Höhe von 46.297,79 EUR geltend gemacht, die er aufgrund des Bescheides des Landkreises H. vom 05.07.2017 erlitten haben soll.
Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Grundurteils Bezug genommen.
Mit Grundurteil vom 10.05.2017 (Bd. IV Bl. 48 ff. d.A.) hat das Landgericht entschieden, dass die Klage dem Grunde nach berechtigt ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Zwischenurteil über den Grund sei nach § 304 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Kläger habe einen bezifferten Leistungsantrag gestellt. Sowohl der Grund als auch der Betrag seien zwischen den Parteien streitig. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Kläger durch Schließung der Gaststätte über nahezu fünf Monate ein Schaden entstanden sei. Der Streit über den Grund sei entscheidungsreif, der Anspruch der Höhe nach hingegen noch nicht. In Bezug auf die Berechnung des entgangenen Gewinns sei die Einholung ...