Leitsatz (amtlich)
Wird ein Pkw nach einer mehrtägigen Probefahrt vereinbarungsgemäß wieder auf dem Betriebshof des versicherten Autohändlers abgestellt, erlangt dieser auch ohne Anwesenheit eines Mitarbeiters erneut Gewahrsam, weshalb sich ein anschließendes Abhandenkommen des Fahrzeugs als bedingungsgemäßer Diebstahl darstellen kann.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 19.12.2012; Aktenzeichen 5 O 63/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Halle vom 19.12.2012 - 5 O 63/12, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.035,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 807,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.3.2012 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil sowie das des LG Halle vom 19.12.2012 - 5 O 63/12, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, die einen Autohandel an mehreren Standorten betreibt, begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Teilkaskoversicherungsleistung i.H.v. rund 19.000 EUR nach dem Abhandenkommen eines ihrer Fahrzeuge von dem Betriebsgelände in B. am 20./21.2.2011.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine umfangreiche, auf ihren Geschäftsbetrieb zugeschnittene Versicherung, die unter Geltung der AKB und der Besonderen Bedingungen (im Folgenden abgekürzt = BB) Kraftfahrtversicherung für eigene zugelassene Fahrzeuge und Kraftfahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk (Bl. 9 - 23 Bd. I d.A.) u.a. auch die auf sie zugelassenen Fahrzeuge gegen bedingungsgemäße Entwendung schützt (Nr. 2.2.2 BB, Bl. 21 Bd. I d.A.).
Im November 2010 erwarb die Klägerin einen Pkw ...
als Neufahrzeug vom Hersteller (Bl. 24 Bd. I d.A.), den sie am 9.12.2010 auf sich zuließ, um ihn fortan als Vorführwagen zu nutzen und zum Verkauf anzubieten.
Am 18.2.2011 wurde dem Zeugen G., der Interesse an dem Fahrzeug bekundet hatte, der Pkw gemäß Nutzungsvereinbarung vom 18.2.2011 (Bl. 26 Bd. I d.A.) zu einer Probefahrt ohne Kilometerbegrenzung überlassen. Der Zeuge sollte das Fahrzeug am 20.2.2011, einem Sonntag, wieder auf dem frei zugänglichen Betriebsgelände der Klägerin in B. abstellen und die ihm überlassenen Autoschlüssel und die Fahrzeugpapiere in einen in der Hauswand des Bürogebäudes eingelassenen Sicherheitsbriefkasten (vgl. die Lichtbilder Bl. 121 - 124 Bd. I d.A.) einwerfen.
Am Morgen des 21.2.2011 wurde zu Beginn der Geschäftstätigkeit der Klägerin festgestellt, dass das Fahrzeug nicht, wie abgesprochen, auf dem Betriebsgelände stand. An dem Briefkasten der Klägerin ließen sich keinerlei Aufbruchspuren feststellen. Lediglich auf einem nahe gelegenen Feld wurde von den aufnehmenden Polizeibeamten eine Mappe, in der dem Zeugen G. sowohl Fahrzeugpapiere als auch Schlüssel übergeben worden waren, leer aufgefunden.
Auf die Strafanzeige der Klägerin wurde gegen mehrere Personen, u.a. auch den Zeugen G., von der Staatsanwaltschaft Halle ermittelt. Die Ermittlungen sind jedoch, ohne dass der Verbleib des Fahrzeugs geklärt oder der verantwortliche Täter ermittelt werden konnte, schließlich gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Eine Regulierung lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 13.5.2011 (Bl. 28 Bd. I d.A.) mit der Begründung ab, dass das Fahrzeug durch eine nicht versicherte Unterschlagung abhanden gekommen sei.
Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge G. habe den Pkw, so wie vereinbart, am Sonntag, dem 20.2.2011, auf dem Betriebsgelände verschlossen abgestellt, die Fahrzeugpapiere und die Schlüssel in den Briefkasten geworfen und sodann das Betriebsgelände zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, der Zeugin M., in einem zweiten Fahrzeug wieder verlassen. Dementsprechend habe ein Mitarbeiter des von ihr beauftragten Wach- und Sicherheitsdienstes, der Zeuge Gt., den Pkw auch am Abend des 20.2.2011 gegen 20:00 Uhr und ein weiteres Mal am folgenden Morgen gegen 02:45 Uhr bei seinem Kontrollgang auf dem Betriebsgelände stehen gesehen. Erst anschließend sei der Pkw von unbekannten Tätern von dort gestohlen worden.
Das Fahrzeug sei, so die weiteren Behauptungen der Klägerin, abzgl. eines ihr zukommenden Händlerrabatts vom Hersteller zum Nettopreis von 18.715,99 EUR (Bl. 24 Bd. I d.A.) erworben und anschließend mit weiterem Zubehör im Wert von 757,18 EUR (vgl. Bl. 35 Bd. I d.A.) versehen worden. Die Summe hieraus, abzgl. einer unstreitigen Selbstbeteiligung von 500,- EUR, ist Gegenstand der Klage. Zudem verlangt die Klägerin Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten i.H.v. 807,80 EUR (vgl. Bl. 8 Bd. I d.A.).
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.973,17 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3...