Normenkette

ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Aktenzeichen 5 O 3046/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.11.2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg – 5 O 3046/99 – geändert.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das LG hat die – auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreites geänderte – Klage zu Unrecht abgewiesen. Es hat übersehen, dass durch den Rückabtretungsvertrag der Parteien vom 13.3.2000 der Klageanspruch auf Rückabtretung erledigt worden ist, obwohl die Streitsache noch nicht rechtshängig geworden war.

1. Zutreffend hat das LG indes erkannt, dass die Rechtshängigkeit im Streitfall erst mit Zustellung der Klage am 4.7.2000 eingetreten ist. Die direkte oder analoge Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO scheidet aus. Nach dieser Vorschrift tritt die Wirkung der Zustellung bereits mit der Einreichung der Klage ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt und durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden soll. Die Wirkung der Zustellung ist nach § 261 Abs. 1 ZPO die Rechtshängigkeit der Streitsache. Die Norm betrifft mithin die materiell-rechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit (§ 262 ZPO), soweit hierdurch die Verjährung unterbrochen oder Fristen gewahrt werden sollen. Fristen i.S.d. § 270 Abs. 3 ZPO sind alle materiellen oder prozessualen Fristen, insb. Ausschluss- und Notfristen, deren Ablauf durch Klageerhebung unterbrochen wird (etwa Verjährungs-, Klage- oder Anfechtungsfristen nach dem Anfechtungsgesetz s. Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 270 Rz. 12). Die Norm will dem Kläger das Verzögerungsrisiko der außerhalb seiner Einflusssphäre liegenden Amtszustellung abnehmen. § 270 Abs. 3 ZPO gilt deshalb nicht für Fristen, für deren Einhaltung nicht die Klage, sondern der Zugang einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung (§ 130 BGB) entscheidend ist (Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 270 Rz. 12). Im Streitfall bewirkte § 270 Abs. 3 ZPO lediglich die Wahrung der Anfechtungsfrist des § 10 Abs. 2 GesO, die nur durch Klageerhebung geschehen kann (vgl. u. Ziff. 3. a).

Die Vorschrift betrifft also nur die fristwahrenden oder verjährungsunterbrechenden Wirkungen der Rechtshängigkeit, nicht die Rechtshängigkeit selbst als Wirkung der Zustellung. Diese tritt gesetzlich mit der Zustellung ein, Fristen sind davon hinsichtlich der Erledigung des Rechtsstreites nicht betroffen. Für die vom Kläger reklamierte analoge Anwendung der Vorschrift ist deshalb schon im Ansatz kein Raum.

2. Der Rechtsstreit ist indes in der Hauptsache durch die Rückabtretung des Beklagten vom 13.3.2000, vom Kläger genehmigt am 21.6.2000, erledigt worden, weil die Klage bereits anhängig war. Der Rechtshängigkeit der Streitsache bedurfte es dafür nicht.

a) Das LG hat mit der herrschenden Meinung (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rz. 40) angenommen, eine Erledigung des Rechtsstreites könne nicht vor Rechtshängigkeit der Klage eintreten. Im Fall der Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit bleibe nur die Klagerücknahme oder die Umstellung der Klage auf Zahlung der Verfahrenskosten.

b) Der Senat teilt diese Ansicht nicht. Vielmehr kann entsprechend der von Vollkommer in Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 91a Rz. 41 und 42 überzeugend dargestellten und begründeten Gegenansicht die prozessuale Erledigung der Hauptsache auch schon dann eintreten, wenn das den Klageanspruch materiell-rechtlich erledigende Ereignis zwischen Anhängigkeit der Klage und Rechtshängigkeit der Streitsache eintritt („weiter Erledigungsbegriff”). Die Anhängigkeit der Klage bei Gericht erfolgt durch Klageeinreichung, während die Rechtshängigkeit der Streitsache die Klage bei Gericht durch Zustellung der eingereichten Klageschrift an den Beklagten bewirkt wird (§ 261 Abs. 1 ZPO; vgl. zum Ganzen in Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 253 Rz. 4). Das KG hat mit überzeugender Begründung die materielle Kostenerstattungspflicht des Beklagten in Fällen dieser Art „aus vordringlichen Gründen der Prozessökonomie” bejaht (s. KG v. 20.12.1979 – 12 U 1499/79, OLGZ 1980, 241 [242–243]). Auch in der Literatur ist schon vor geraumer Zeit die im Vordringen begriffene Auffassung mit diesem Argument unterstützt worden (vgl. Jürgen Blomeyer, NJW 1982, 2750 [2753]). In der neueren Rechtsprechung wird es fortgeführt (vgl. OLG Hamm v. 13.4.1993 – 5 WF 109/93, FamRZ 1993, 1343 [1344]). Diesen Argumenten entspricht auch der durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) geänderte § 269 ZPO. In § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO heißt es:

„Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen, s...

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