Leitsatz (amtlich)
Über das Risiko eines Misserfolgs des beabsichtigten Eingriffs (hier: offene Operation am Fersenbein) ist nicht unter Angabe konkreter Prozentzahlen aufzuklären. Es reicht aus, wenn dem Patienten mitgeteilt wird, dass die Operation trotz aller ärztlichen Kunst fehlschlagen kann mit dem Ergebnis, dass die Leiden, Ausfälle und Beschwerden sich nicht bessern oder gar verschlimmern.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 9 O 406/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 13.5.2009 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 85.000 EUR festgesetzt. Antrag Ziff. 1.1: 61.531,68 EUR
(Die außergerichtl. RA-Kosten erhöhen den Streitwert nicht)
Antrag Ziff. 1.2.: 20.000 EUR
Antrag Ziff. 2. (Feststellungsantrag): 2.500 EUR
Summe: 84.031,68 EUR
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer nach seiner Ansicht fehlerhaften ärztlichen Behandlung.
Am 27.1.2005 rutschte der Kläger aus und verletzte sich an der linken Ferse. Am folgenden Tag wurde in der unfallchirurgischen Ambulanz der Beklagten zu 1) anhand von Röntgenaufnahmen und einer Computertomografie eine Kalkaneustrümmerfraktur links mit Fragmentdislokation festgestellt. Nachdem der Fuß abgeschwollen war, wurde der Kläger am 6.12.2005 durch die Beklagten zu 2) und 3) operiert. Das von dem Kläger unterzeichnete Aufklärungsformular enthielt auf S. 3 folgende Ausführungen:
"Trotz aller Sorgfalt kann der Knochen in einer Fehlstellung zusammenwachsen. Gelegentlich heilt der Knochenbruch gar nicht oder nicht in der erwarteten Zeit zusammen und es bildet sich ein "Falschgelenk". Bei diesen Komplikationen wird eine Operation erforderlich ... Durch die Verletzung und Einblutung kann es zu starken Vernarbungen und Verkalkungen in der Umgebung eines Gelenkes kommen. Auch bei sorgfältigster Überwachung und früher Bewegungsbehandlung lassen sich schwere Funktionsstörungen, die bis zur vollständigen Versteifung führen können, nicht immer vermeiden."
Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung am 17.12.2005 wurde der linke Unterschenkel und Fuß zunächst durch einen Unterschenkelgips ruhig gestellt. Nach Abnahme des Gipses erfolgte die schrittweise Mobilisation des linken Beines. Ab März 2006 wurde die Vollbelastung des Beines zugelassen. Zusätzlich erhielt der Kläger bis April 2006 physiotherapeutische Behandlung. Die ambulante Behandlung seitens der Beklagten endete im Dezember 2006 unter Vollbelastung der verletzen Extremität.
Wegen Beschwerden im linken Fuß und im linkeren oberen und unteren Sprunggelenk stellte sich der Kläger im Frühjahr 2007 einem fachorthopädischen Gutachter vor, welcher die Beschwerden, insbesondere die nahezu gänzliche Aufhebung der Pro- und Supination links bestätigte. Im Juli 2007 ließ der Kläger im Klinikum M. ein MRT und ein CT erstellen. Das CT ergab, dass eine der Schrauben dorso medial das USG perforierte und den Talus randständig tangierte sowie eine weitere Schraube dorsal randständig im Sinus tarsi verlief.
Der Kläger hat Verdienstausfall sowie Schmerzensgeld geltend gemacht.
Er hat in erster Instanz behauptet, die Operation der Trümmerfraktur des Fersenbeins sei nicht entsprechend dem medizinischen Standard erfolgt. Insbesondere seien die Schrauben nach Länge und Ausrichtung fehlerhaft positioniert worden. Im Übrigen sei nicht ausreichend über eine 50%ige Misserfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung aufgeklärt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Chefarztes der Klinik für Allgemein- und Unfallchirurgie des Johanniter Krankenhauses G., H. K. hat die Kammer die Klage mit Urteil vom 13.5.2009 abgewiesen. Zur Begründung führte das LG aus, eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht sei den Beklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vorzuwerfen. Die bei dem Kläger aufgetretenen Spätfolgen seien nicht auf die Operation, sondern auf den Bruch zurückzuführen und gehörten zu dem Krankheitsbild der dislozierten Trümmerfraktur des Fersenbeins.
Einen Aufklärungsfehler der Beklagten hat das LG ebenfalls verneint. Ungeachtet dessen, wie hoch das Risiko von Komplikationen durch die Operation gewesen sei, hätte sich dieses Risiko hier jedenfalls nicht verwirklicht. Vielmehr beruhten die Beschwerden des Klägers allein auf der Trümmerfraktur. Ohne die durchgeführte Operation ...