Leitsatz (amtlich)
Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 EUR für Verletzungen aus einem Verkehrsunfall (100%ige Haftung) im Genitalbereich mit der Folge einer dauerhaften erektilen Dysfunktion sowie Prellungen im Bereich des Beckens und der Wirbelsäule und einer Oberschenkel-/Kniekontusion; MdE 10 %, 2 Tage stationäre Behandlung.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 16.08.2013; Aktenzeichen 4 O 131/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.8.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Halle - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 15.000, - EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an die V. -AG (Schaden-Nr ..., Konto Nr.:..., BLZ:...) weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 325,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 62,50 % und die Beklagte zu 37,50 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 77 % und der Beklagten zu 23 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Höhe des Schmerzensgeldes, das der Kläger als Ausgleich für die bei einem Verkehrsunfall erlittenen immateriellen Schäden von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners - der Beklagten - beanspruchen kann, sowie über den Umfang der erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 15.4.2011 gegen 15:15 Uhr in H. im Kreuzungsbereich Z. Rain/T./J. Straße. Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad Suzuki SV 650 S, amtl. Kennzeichen:..., die vorfahrtberechtigte Straße Z. Rain; der andere Unfallbeteiligte M. M. wollte mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Opel Meriva, amtl. Kennzeichen:..., aus der J. Straße kommend den Z. Rain in Richtung der Straße T. überqueren. Dabei missachtete er das Vorfahrtsrecht des Klägers, so dass es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam. Die 100%ige Einstandspflicht des Versicherungsnehmers der Beklagten und damit der Beklagten selbst steht zwischen den Parteien außer Streit.
Der Kläger, der bei dem Unfall mit dem äußeren Genitale auf den Motorradtank prallte, erlitt eigenen, unbestritten gebliebenen Angaben zufolge die folgenden Verletzungen:
- Hämatom im Bereich der Peniswurzel
- Schmerzen im Bereich der Peniswurzel bei Erektion
- Schürfwunde am Penisschaft
- Beckenprellung
- HWS/BWS/LWS-Prellung
- Oberschenkel-/Kniekontusion
- Erektile Dysfunktion.
Die Beklagte leistete vorgerichtlich an den Kläger zum Ausgleich der immateriellen Schäden einen Betrag von 10.000, - EUR und auf die materiellen Schäden insgesamt weitere 4.498,81 EUR. Außerdem hat sie, was erst im Laufe des Berufungsverfahrens bekannt geworden ist, dem Kläger in einem Schreiben vom 25.10.2012 "einen materiellen und immateriellen Vorbehalt im Sinne der Rechtsprechung" eingeräumt. Im Hinblick auf den Vorbehalt erklärte sie sich bereit, den Kläger "bezüglich der Verjährung so (zu stellen), als ob er ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil gleichen Datums erstritten hätte".
Mit der von ihm erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen weiteren Schmerzensgeldes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, in Anspruch genommen. Er hält angesichts der erlittenen Verletzungen ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000, - EUR - nach der vorgerichtlichen Zahlung von 10.000, - EUR also noch von weiteren 40.000, - EUR - für gerechtfertigt. Der Kläger verweist insbesondere darauf, dass die unfallbedingte erektile Dysfunktion es ihm unmöglich mache, den Geschlechtsverkehr mit seiner langjährigen Partnerin ohne vorherige Einnahme des Medikaments "... " auszuüben. Auf der Grundlage eines Geschäftswertes von insgesamt 54.498,81 EUR bei Berücksichtigung einer 2,0 Geschäftsgebühr und nach Abzug bereits gezahlter 871,02 EUR verlangt der Kläger außerdem die Erstattung weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.825,52 EUR; die Erstattung habe an seinen - des Klägers - Rechtsschutzversicherer, die V. AG, zu erfolgen.
Die Beklagte hat den von ihr auf die immateriellen Schäden des Klägers gezahlten Betrag von 10.000, - EUR für angemessen gehalten; durch die Einnahme des Medikaments "... " sei dem Kläger die Führung eines normalen Sexuallebens möglich. Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stünden dem Kläger nicht in der geltend gemachten Höhe zu, statt einer 2,0 Geschäftsgebühr sei nur die Mittelgebühr von 1,3 anzusetzen.
Das LG hat in seinem Urteil vom 16.8.2013 dem Kläger in der Hauptsache ...