Leitsatz (amtlich)
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über einen Haftungsausschluss bei der Ausübung besonders gefährlicher Sportarten sind auch auf andere Fälle gemeinsamer sportlicher Betätigung ohne Wettkampfcharakter übertragen worden. Sie gelten auch für eine sog. Demonstrationsfahrt mit früheren Rennmotorrädern auf einer Rennstrecke, wobei nach Art eines Rennens gefahren wird.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 19.06.2012; Aktenzeichen 4 O 1496/11) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 19.6.2012 verkündete Urteil des LG Halle, Az.: 4 O 1496/11, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Berufungsurteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 9.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger machen als Erben Schadenersatzansprüche wegen eines Motorradunfalls des am 28.10.2011 verstorbenen F. R. als Teilnehmer einer sog. Demonstrationsfahrt mit früheren Rennmotorrädern am 11.7.2010 auf der Rennstrecke ... geltend.
Der Beklagte hielt dem als Teilnehmer an der genannten Motorradveranstaltung und Unfallgegner des Erblassers erstinstanzlich im Rahmen einer Widerklage seinerseits Schadenersatzansprüche entgegen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des am 11.6.2012 verkündeten Urteils des LG Halle, Az.: 4 O 1496/11, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das LG hat Klage und Widerklage vollumfänglich abgewiesen.
Es hat hierzu ausgeführt, die Klage sei nicht begründet, weil den Klägern Ansprüche weder gemäß den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB und i.V.m. den §§ 249, 253, 1922 BGB noch nach den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG zustünden, da ihr Rechtsvorgänger keine Ansprüche gegen den Beklagten gehabt habe.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts ein Sachverhalt fest, nach dem ein Haftungsausschluss im Verhältnis zwischen dem Rechtsvorgänger der Kläger und dem Beklagten infolge der typischen Auswirkung einer besonders gefährlichen Sportart eingreife. Danach bestehe keine Haftung unter den Teilnehmern, wenn bei einer besonders gefährlichen Sportart gewisse gegenseitige Verletzungs- und Schadensrisiken bewusst von den Teilnehmern eingegangen würden und keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliege oder die Grenze zum unfairen Regelverstoß überschritten würde. Dies gelte auch dann, wenn zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten kein Wettbewerbsverhältnis bestanden habe, die realisierte Gefahr indes der Sportausübung immanent sei. Die Grundsätze über den Haftungsausschluss bei der Ausübung besonders gefährlicher Sportarten gälten auch für die vorliegende Demonstrationsfahrt, da diese mit Rennmotorrädern zum Präsentieren ihrer entsprechenden Möglichkeiten und zu einem erheblichen Teil durch ehemalige Rennfahrer erfolgt sei. Schnelles Fahren sei erlaubt gewesen.
Der Haftungsausschluss greife zugunsten des Beklagten ein. Nach den getroffenen Feststellungen habe sich in dem Unfall die immanente Gefahr des Rennsports realisiert. Der Unfall sei ausgangs einer Haarnadelkurve passiert, die ein besonderes hohes Gefahrpotential dargestellt habe. Es habe sich um eine markante und besonders gefährliche Stelle innerhalb der Strecke gehandelt. Von den Zeugen K., Ke., S. und H. sei nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt worden, dass man im Bereich der Haarnadelkurve sehr scharf habe abbremsen müssen und, da es sich um eine Linkskurve gehandelt habe, typischerweise auf die rechte Fahrbahnseite ausgangs der Kurve gelangt sei, wo der vormalige Kläger neben dem gestützten Motorradfahrer gestanden habe. Auch für einen geübten Fahrer, wie den Beklagten, habe an dieser Stelle ein hohes Unfallrisiko bestanden. Das Auffahren in dieser Situation stelle sich als eine typische Realisierung des gefährlichen Rennsportes dar.
Der Beklagte habe dabei weder grob fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt oder sich gar unfair über die Regeln des Sportes hinweg gesetzt. Insbesondere stehe fest, dass in der maßgeblichen Situation zu der Zeit, als der Beklagte die maßgeblichen Stellen passierte, gelbe Fahnen an der nächst gelegenen Stelle zum Unfallort gerade nicht gezeigt und erst recht nicht geschwenkt worden seien. Dies ergebe sich aufgrund der Aussagen der Zeugen K., Ke. und Z.. Der Zeuge Z., der als unbeteiligter Zuschauer ohne erkennbares Eigeninteresse den Unfall beobachtet habe, habe plausibel bekundet, dass der für ihn sichtbare Streckenposten im Scheitelpunkt der Haarnadelkurve vor dem Unfall zwischen den Parteien eine gelbe Fahne nicht hoch gehalten oder geschwenkt habe. Diese Angabe werde im Ergebnis durch die Angaben des Zeugen K. bestätigt, wonach nach dem ersten Unfall zunächst keine Fahne mehr gezeigt worden sei, erst als er sich selbst dann erneut der Unfallstelle genähert habe, seien nach seiner Wahrnehmung gelbe Fahnen geschwenkt worde...