Leitsatz (amtlich)
Greift die Staatsanwaltschaft ein Urteil, dem eine Verständigung zugrunde liegt, zuungunsten des Angeklagten mit der Revision an, ist die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Entscheidung vom 17.10.2016; Aktenzeichen 17 Ls 688/15) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 17. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung - Schöffengericht - des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten nach einer Verständigung gemäß § 257 c StPO, welche einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 8 Monaten bis zu 2 Jahren unter Aussetzung zur Bewährung beinhaltete, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit "einem Verstoß gegen das Waffengesetz" unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 3. Juni 2015 zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Sprungrevision, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken wollte.
II.
Die beabsichtigte Beschränkung der Revision ist unwirksam, das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Revision ist trotz der Verständigung nach § 257 c StPO auch zulasten des Angeklagten statthaft. Die Staatsanwaltschaft ist aufgrund ihrer Wächterfunktion über die Einhaltung der Vorschriften des Verständigungsgesetzes (BVerfG NJW 2013, 1058) dazu angehalten, nach ihrer Ansicht übermäßig milde, verständigungsbasierte Urteile mit Rechtsmitteln anzugreifen (Schneider NZWiSt 2015, 1, 4).
2. Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht wirksam.
Die Beschränkung eines Rechtsmittels ist nur möglich, soweit sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Urteils bezieht. Der Rechtfolgenausspruch ist nur abtrennbar, sofern er ohne Nachprüfung des gesamten Urteils sinnvollerweise selbständig rechtlich beurteilt werden kann. Hängt der logische Bestand des nicht angegriffenen Teils von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des angegriffenen Teils ab, ist die Beschränkung nicht wirksam (vgl. BGHSt 27, 70; Franke in Löwe-Roseberg StPO, 26. Auflage, § 344 Rn. 15 m.w.N. in der Fn 52).
Die Bindung des Gerichts an eine Verständigung und die Verwertbarkeit des Geständnisses, welches der Angeklagte im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung abgegeben hat, stehen in einer Wechselbeziehung, die nicht einseitig aufgelöst werden kann (vgl. BGH NJW 2011, 1526; StV 2012, 134).
Der Schutz des Angeklagten, welcher in dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) manifestiert ist, verlangt, dass ein verständigungsbasiertes Geständnis bei einer fehlgeschlagenen Verständigung unverwertbar ist, weil er dieses im Vertrauen auf die Einhaltung der vereinbarten Strafobergrenze abgelegt hat. Mit dieser Wechselwirkung wird dem Grundsatz eines auf Fairness angelegtes Verfahren Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 21).
Das Verbot, das Geständnis zu verwerten, führt hier dazu, dass Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch rechtlich und tatsächlich nicht mehr selbstständig beurteilt werden können. Die Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch ist daher unwirksam (so auch OLG Düsseldorf StV 2011, 80), so dass das Urteil insgesamt aufzuheben ist.
3. Das Amtsgericht hat nicht hinreichend begründet, dass dem Angeklagten eine positive Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann, weil es nicht alle für die Prognoseentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen hat.
Der Angeklagte ist mehrfach und auch einschlägig vorbestraft. Er hat mehrmals während laufenden Bewährungszeiten neue Straftaten begangen und damit gezeigt, dass die Prognose einer straffreien Führung falsch war. Daher kommt eine erneute günstige Prognose nur bei außergewöhnlichen Umständen, etwa wesentlichen Änderungen der Lebensverhältnisse nach der Tat, in Betracht (Senat, StV 2016, 574f.).
Das Amtsgericht stützt die positive Prognose darauf, dass der Angeklagte nach der Tat von Januar 2015 bis Juni 2015 in Strafhaft war. Dabei erörtert es nicht, dass er bereits zuvor mehrmals Haftstrafen verbüßt hat und nach den Entlassungen wieder straffällig geworden ist. Daher kann nicht ohne weitergehende Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass die letzte Hafterfahrung im Gegensatz zu früheren den Angeklagten derartig beeindruckt hat, dass er in der Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Auch weitere Änderungen der Lebensumstände des Angeklagten finden sich im Urteil nicht.
4. Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Gesetzgeber hat in § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ausdrücklich geregelt, dass ein Geständnis unverwertbar ist, wenn eine Bindung des Gerichts an die Absprache entfällt. Das gilt auch, wenn die Staatsanwaltschaft durc...