Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 26.03.2021; Aktenzeichen 2 O 457/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.03.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal auf Rückabwicklung eines am 10.08.2017 zu einem Kaufpreis von 33.950,00 EUR getätigten Erwerbs eines Audi Q3 Sport 2.0 TDI in Anspruch, in welchem ein Motor des Typs EA288 EU6 SCR verbaut ist.
Dem Senat ist aus verschiedenen Parallelverfahren Folgendes (gerichts-) bekannt:
In einer E-Mail des (Name geschwärzt) Senior Counsel und Dipl.-Ing. Fahrzeugtechnik der Beklagten an das KBA vom 01.10.2015 wird zu Dieselmotoren mit Emissionsstufe EU6 der Beklagten Folgendes ausgeführt:
"Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeit- Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion des NEFZ erkennt wird eine der Toleranzgrenzen dieser Erkennung einmal überschritten, geht der Funktionsmodus in die Applikation für den Straßenbetrieb über und kann bis zum nächsten Motorstart nicht mehr in den NEFZ-Modus zurückkehren. Die Motorapplikation für beide Funktionsmodi ist identisch. Eine Lenkwinkel- oder Radrehzahlsensierung oder sonstige Sensierung von Fahrzeugdaten findet zu diesem Zweck nicht statt".
Im Rahmen eines am 02.10.2015 dort erfolgten Gesprächs hat die Beklagte dem KBA ein Dokument vorgelegt, in dem die "Umschaltstrategie EA288 EU6 SCR" wie folgt beschrieben wird:
"Die Funktion unterscheidet zwei SCR-Betriebsstrategien:
Strategie 1:
bis 200°C SCR-Kat-Temp.: höhere AGR Rate sowie geringere SCR-Dosierung
aktiv innerhalb Strecken-Zeit-Korridor, ab Motorstart
Strategie 2:
ab 200°C SCR-Kat-Temp. niedrigere AGR Rate sowie höhere SCR-Dosierung
aktiv außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors".
Daneben ist vermerkt:
"Keine unterschiedlichen Emissionen zw. 1 und 2"
Aus einem mit "Technisches Statement: Fahrzyklus-Erkennung" überschriebenen Dokument der Beklagten vom 19.10.2015 ergeben sich folgende Parameter, an welche die Fahrzyklus- Erkennung beim EA288 anknüpft:
Einschalten
Motorstart-Temperatur -50 bis 140°C
Öltemperatur -50 bis 140°C
Kraftstofftemperatur -50 bis 140° C
Höhe (Umgebungsdruck) 735 hPa
Ausschalten
Zeit-Weg-Funktion Definierte Funktion
Daneben ist vermerkt:
"Emissionseinfluss Nein"
In einer 13-seittgen Stellungnahme der von der Beklagten beauftragten Kanzlei F. B. D. vom 04.10.2015 wird unter B. II. 1 I 3 die Funktionsweise des SCR- Systems wie folgt beschrieben:
"Aufgrund der Tatsache, dass der Testlauf auf dem Rollenprüfstand nach den EU-rechtlichen Vorgaben des NEFZ strikt auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt ist (4 × 195 sec Simulation innerstädtischer Verkehr, insgesamt 4,052 km. anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr, Wegstrecke 6.955 km), anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr. Wegstrecke 6.955 km), innerhalb dessen nicht sicher damit gerechnet werden kann, ob/wann die Umschaltschwelle von 200°C erreicht ist, der Prüfzyklus indes widerspiegeln sollte, dass es tatsächlich eine Umschaltung von Betriebsmodus A zu B gibt, sowie die Testergebnisse reproduzierbar sein sollten, wird im Rollenprüfstandsmodus das SCR-System nicht temperatur-, sondern zeitgesteuert, nämlich durch Umschaltung des SCR-Betriebsmodus von A auf B zu einem Zeitpunkt im ersten Drittel des außerstädtischen Verkehrs. Die tatsächliche Wirksamkeit des SCR-Systems unterscheidet sich nicht, sie ist im normalen Fahrbetrieb nicht verringert.
Wurde das SCR-System auch auf dem Rollenstand nicht zeit- sondern nach einem rechnerischen Algorithmus, der die Temperatur des SCR-System simuliert, gesteuert, so hatte dies keinen Einfluss darauf, dass die EU6- Emissionsgrenzwerte unverändert eingehalten werden".
Unter C. II I 1 und 2 des vorgenannten Dokuments wird der obige Sachverhalt dann einer rechtlichen Würdigung unterzogen, und zwar dahingehend, dass die Umstellung der Temperatursteuerung des SCR-Systems auf eine Zeitsteuerung bei Durchfahren des NEFZ keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle weil sie nicht zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems bzw. SCR-Systems unter normalen Fahrbedingungen führe; darüber hinaus sei "äußerst zweifelhaft, ob schon im Ausgangspunkt eine Abschalteinrichtung" vorliege, da "die Temperatursteuerung des SCR-Systems der Grund- und Normalmodus für den Betrieb des Fahrzeugs" sei.
Der Kläger hat u.a. Seite 5 der "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288" der Beklagten vom 18.11.2015 vorgelegt, wo es zum EA 288 E...