Leitsatz (amtlich)
1. Beim Nachweis des Minimalsachverhalts für eine Fahrzeugentwertung in der Teilkaskoversicherung darf einem eher das Randgeschehen betreffenden Widerspruch (unklare Verschlusssitutation zweier Hoftore) zwischen den Angaben des Versicherungsnehmers und einem Zeugen kein entscheidendes Gewicht für ein Erschüttern der Redlichkeitsvermutung beigemessen werden, vor allen dann, wenn das Diebstahlgeschehen bereits über drei Jahre zurückliegt.
2. Hat ein nicht arglistig verschwiegener, fachgerecht reparierter Vorschaden keinen Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert des versicherten Fahrzeugs kann der Versicherungsnehmer den Kausalitätgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 VVG führen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 02.09.2014; Aktenzeichen 4 O 102/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 02.9.2014, Az.: 4 O 102/14, abgeändert und die Beklagte - unter Abweisung der Klage und Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt,
a) an die S. Bank AG, S. Platz 1, M., auf das Konto der Rechtsanwälte H. bei der S. Bank, IBAN DE., zur Finanzierungsnummer ... einen Betrag in Höhe von 27.250,-- EUR nebst 7,99 % Zinsen hieraus seit dem 04.8.2011 zu zahlen,
b) an die Klägerin 7.862,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2014 zu zahlen, sowie
c) die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte B. GbR, F. Straße 119, W., in Höhe von 1.358,86 EUR freizustellen.
2. Die Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin zu 1/15 und die Beklagte zu 14/15.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung ihrer auf Zahlung einer Entschädigungsleistung wegen eines behaupteten Kfz-Diebstahls gerichteten Klage.
Die Klägerin, die in C. eine Bäckerei betreibt, schloss bei der Beklagten am 29.12.2009 betreffs des auf sie zugelassenen Pkw Audi R 8 4.2, Erstzulassung: 25.1.2007, eine Kaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 EUR in der Teilkaskoversicherung. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung der Beklagten, die sog. AKB NF 2009, zugrunde. Sie hatte den Pkw mit Kaufvertrag vom 18.12.2009 für 95.000 EUR brutto bei dem Autohaus F. C. erworben, an das zuvor am 10.12.2009 der Wagen vom Audi Zentrum S. für 70.000 EUR veräußert worden war.
Die Klägerin finanzierte den Kauf über ein Finanzierungsdarlehen bei der S. Bank, in welchem der Baranzahlungsteil von 15.168 EUR durch eine Abtretung der Ansprüche der Klägerin auf Umsatzsteuerrückzahlung gegen das Finanzamt an die Bank finanziert bzw. gedeckt wurde. Die Bank ließ sich zudem das Eigentum an dem Pkw zur Sicherung ihrer Darlehensforderung gegen die Klägerin abtreten.
Der Sohn der Klägerin, A. D., nutzte den Pkw allein. Gegen ihn war in der Zeit vom 08.12.2010 bis zum 08.1.2011 ein Fahrverbot verhängt worden.
Der Pkw wurde am 15.6.2012 bei dem Versuch der Zulassung in der Slowakei mit veränderter Fahrgestellnummer und Elektronik sichergestellt. Nach seiner Rückführung nach Deutschland verkaufte die S. Bank das Fahrzeug am 31.1.2014 an die Firma Auto K. zu einem Preis von 38.800 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der Pkw sei in der Zeit vom 05. bis 06.2.2011 von ihrem Hof- und Betriebsgrundstück Sch. Straße 8 in C. entwendet worden, wobei die Täter den Torflügel des Hoftores ausgehängt und zur Seite gestellt hätten.
Die Schadenshöhe hat die Klägerin wie folgt berechnet:
Nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Bewertungsgutachten der DEKRA vom 10.10.2013 habe der Pkw zum Bewertungsstichtag am 06.2.2011 einen Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 68.350 EUR gehabt, wovon der zwischen der S. Bank und dem Autohaus K. vereinbarte Kaufpreis von 38.800 EUR in Abzug zu bringen sei, sodass nach Abzug der Selbstbeteiligung von 150 EUR eine restliche Zahlungsforderung von 29.400 EUR verbleibe.
Weiterhin hat sie die Zahlung von an die S. Bank geleisteter Zinsen von 7,99 % auf einen Betrag von 38.800 EUR für die Zeit vom 04.8.2011 bis zum 17.2.2014 verlangt, mithin 7.862,25 EUR, und vorgetragen, dass ihr in dieser Höhe ein von der Beklagten wegen verspäteter bzw. verzögerter Regulierung eingetretener Schaden entstanden sei.
Weiterhin begehrt sie die Erstattung der Gutachterkosten für die Anfertigung des Bewertungsgutachtens durch die DEKRA in Höhe von 356,98 EUR.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die S. Bank AG, S. Platz 1 in M., unter Verwendung der Finanzierungsnummer ... auf das Konto der bevollmächtigten Rechtsanwälte H. bei der S. Bank IBAN DE.,...