Leitsatz (amtlich)
Es stellt für einen Patienten, bei dem nach den Bewertungskriterien der DEGAM-Leitlinie Nr. 15 (Brustschmerz) in Verbindung mit dem sog. Marburger-Herz-Score ein geringes Risiko der Entwicklung einer koronaren Problematik besteht, keinen Befunderhebungsfehler dar, wenn über erhobene Troponin I-Werte und ein Belastungs-EKG hinaus (beides negativ im Sinne einer etwaigen koronaren Beschwerdeursache) keine weiteren Befunde (Echokardiogramm, Myokardszintigraphie) erhoben werden.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 20.01.2016; Aktenzeichen 6 O 1605/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.1.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (6 O 1605/10) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil und dieses Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 30.000, -- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger (zum damaligen Zeitpunkt 44 Jahre alt) wurde am 21.11.2005 vom Notarzt bei teilweise atemabhängigen retrosternalen Schmerzen bei der Beklagten (zuvor "Krankenhaus R."; i.F. Beklagte) stationär aufgenommen (bis 23.11.2005). Während des stationären Aufenthalts vom 21.11. bis 23.11.2005 wurde
- labortechnisch / -chemisch ein akutes Myokardinfarktgeschehen ausgeschlossen;
- ein ergometrischer Belastungstest ergab keine Hinweise auf eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels unter Belastungsbedingungen.
Anlässlich eines zweiten stationären Aufenthalts bei der Beklagten im Dezember 2005 (nach erneuter Einweisung durch den Notarzt am 14.12.2005) wurde
- labortechnisch / -chemisch erneut ein akuter Herzinfarkt ausgeschlossen, und der Kläger wurde
- nach weiterer gastroenterologischer Befunderhebung
mit der Diagnose
- "Prinzmetal Angina"
- "Intercostalneuropathie"
am 16.12.2005 aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 25.9.2006 verspürte der Kläger gegen 8.30 Uhr eine "Angina-Pectoris-Symptomatik" mit Ausstrahlung in den linken Arm. Es erfolgte durch den Notarzt (bei Verdachtsdiagnose: akutes Koronarsyndrom) eine stationäre Einweisung in die Universitätsklinik ..., wo der Kläger um 12.01 Uhr aufgenommen wurde.
Nach Laboruntersuchung mit erhöhtem Toponin-I Wert erfolgte eine Herzkatheteruntersuchung, bei der sich
- eine koronare Eingefäßerkrankung
- mit hochgradiger proximaler Stenose des LAD
darstellen ließ. Bei einer echokardiographischen Untersuchung wurden eine
- eingeschränkte linksventikuläre Pumpfunktion mit einer geschätzten Ejektionsfraktion von 43% und eine
- diffus-hypokinetische Region im Bereich der anteolateralen Wandabschnitte
beschrieben; ein relevanter Anstieg myokardspezifischer Enzyme wurde nicht nachgewiesen. Es erfolgte therapeutisch die umgehende Ausdehnung des Herzkranzgefäßes durch Einlage eines Stents. Nach medikamentöser Behandlung wurde der Kläger in die weitere hausärztliche Behandlung entlassen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die koronare Eingefäßerkrankung bereits anlässlich des stationären Aufenthaltes bei der Beklagten vom 14. bis 16.12.2005 hätte erkannt werden müssen, wodurch der später stattgefundene Herzinfarkt hätte vermieden werden können:
(1) Bereits am 14.12.2005 habe bei der Beklagten eine Angiographie veranlasst werden müssen.
(2) Nach Beendigung des stationären Aufenthalts habe eine Überweisung an einen Internisten/Kardiologen erfolgen müssen; dann wäre eine Durchblutungsstörung des Herzens festgestellt worden,
wobei bei Veranlassung von (1) und (2) die Eingefäßerkrankung frühzeitiger erkannt worden wäre, wobei weiter die Verdachtsdiagnose der Beklagten, also
- "Prinzmetal Angina"
- "Intercostalneuropathie",
fehlerhaft gewesen sei. Die Symptome hätten vielmehr bereits im Dezember 2005 auf eine
- allgemeine Form einer Angina pectoris oder auf
- eine Gefäßerkrankung mit beginnender Stenosierung
hingewiesen.
Die Unterlassung der im Dezember 2005 gebotenen Befunderhebung stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Durch die unterlassene Angiographie sei die koronare Eingefäßerkrankung unerkannt geblieben, wodurch es in der Folge zu dem Myokardinfarkt im September 2006 gekommen sei.
Seit September 2006 sei die Leistungsfähigkeit des Klägers (der vor dem Infarkt als Polizeibeamter im Schichtdienst tätig gewesen sei) stark eingeschränkt, wodurch ihm ein Schaden entstanden sei, den er wie folgt beziffert:
(1) Verdienstausfallschaden (bis Juni 2007): 1.891,81 Euro
(2) Verlust von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen
(bis Ende 2009) 3.800, -- Euro
(4) Zuzahlungen (Medikamente/Krankenhaus/Kur
Verwandtenbesuche) 934,20 Euro
(5) Schmerzensgeld (mindestens) 20.000, -- Euro
(6) außergerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.407,53 Euro
Der Kläger stellt weiter einen Feststellungsantrag zu möglichen künftigen Schäden.
Die Beklagte i...