Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Erstellung eines schlüsselfertigen Bauwerks zu einem Pauschalpreis vereinbart, so ist in aller Regel auch der zu erbringende Leistungsumfang pauschaliert. Vom vereinbarten Leistungsinhalt sind dann alle Leistungen umfasst, die für die Erreichung des Vertragszweckes nach den Regeln der Technik für ein zweckgerechtes und mangelfreies Bauwerk erforderlich und vorhersehbar sind. Die bloße Abarbeitung eines insoweit unvollständigen Leistungsverzeichnisses des Auftraggebers genügt dem nicht.
2. Ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt verschweigt einen Mangel seiner Leistung arglistig, wenn er bei Abnahme des Werkes nicht offenbart, dass er entweder überhaupt keine Bauüberwachung vorgenommen hat oder auch nur einzelne der überwachungspflichtigen Gewerke nicht überwacht hat. Dem steht es gleich, wenn der Architekt eine Erklärung ins Blaue hinein abgibt und dabei nicht offenbart, dass er keine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erklärung hat.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 18.07.2012; Aktenzeichen 10 O 2348/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 3) bis 5) wird das am 18.7.2012 verkündete Grundurteil des LG Magdeburg (10 O 2348/09) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das am 18.7.2012 verkündete Grundurteil des LG Magdeburg (10 O 2348/09) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) bis 5) erster Instanz. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung erster Instanz dem Schlussurteil vorbehalten. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) bis 5) für die 2. Instanz. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und die Beklagten zu 1) und 2) jeweils zu ½.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 3) bis 5) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 3) bis 5) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagten zu 1) und 2) können die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 260.000, -Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin plante die Errichtung eines neuen Kurzentrums. Mit den Architektenarbeiten beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren einer Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist. In dem Einheitsarchitektenvertrag vom 6./29.7.1992 (Anlage K1 Anlagenband [i. F. AB]) wurde die Beklagte zu 1) mit den Leistungsphasen 1 - 9 (gemäß § 15 Abs. 2 HOAI in der damals gültigen Fassung) beauftragt. Es galten die Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA). In § 6 AVA heißt es (u.a.):
6.1. Ansprüche des Bauherrn, gleich aus welchem Rechtsgrund, verjähren mit Ablauf von 5 Jahren, sofern gesetzlich keine kürzeren Verjährungsfristen vorgesehen sind oder die Parteien individuell keine abweichende Vertragsabrede getroffen haben (Hervorhebung durch den Senat). Dies gilt nicht, wenn der Architekt den Mangel arglistig verschwiegen hat.
6.2. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der letzten nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung, spätestens mit Abnahme der in Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) zu erbringenden Leistung (Teilabnahme). Für Leistungen, die danach noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung.
Unter Ziff. 9 des Einheitsarchitektenvertrages heißt es:
Gewährleistungs- und Haftungsdauer 2 Jahre (maschinenschriftlich eingefügt; Anmerkung des Senats [dort auch die in Bezug genommene Fußnote 6)])
Die Bauausführung (auf der Basis des Auftrages vom 1.3.1994 [Anlage K2 AB]) erfolgte durch die Beklagte zu 3) - einer ARGE -, deren Gesellschafter die Beklagten zu 4) und zu 5) sind. Im Auftrag (Anlage K2 AB) heißt es (u.a.)
Generalunternehmerleistung (schlüsselfertig)
Eine gesonderte Regelung zur Verjährung enthält der Bauvertrag nicht. Die Abnahme der Arbeiten der Beklagten zu 3) erfolgte unstreitig im Jahr 1996. Im Jahre 1997 wurden Mängel an dem Bauwerk festgestellt. Die Klägerin beauftragte den Sachverständigen Qu. mit der Mängelfeststellung. In seinem Gutachten vom 26.11.1997 (90/97) heißt es zum Hallenbad (SV S. 8R/9) u.a.:
Im gesamten Pultdachbereich ist sichtbar, dass die Dampfsperre im Dachknickbereich nicht an die Fassadenwand angeschlossen wurde. Dem Augenschein nach wurde die Dampfsperre nicht bis an die Fassade geführt, sondern endet mehrere Zentimeter davor und wurde nicht an die Fassade angeschlossen,
...
Der vorgefundene Dachaufbau entspricht nicht dem Blatt Nr. 284/3/4.302. Der gesamte Aufbau des Pultdachabschlusses - insbesondere der Anschluss der Dampfsperre an die Fassadenwand sowie auch der Einbau des Dämmmaterials - muss extern fest...