Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung im Scheidungsverfahren durch Urteil
Leitsatz (amtlich)
Sowohl die Scheidung als auch die Zurückweisung eines Scheidungsantrages sind durch Urteil, nicht durch Beschluss zu entscheiden. Eine Zurückweisung eines Scheidungsantrages ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig.
Normenkette
ZPO §§ 538, 608, 310; BGB § 1564
Verfahrensgang
AG Oschersleben (Beschluss vom 30.08.2006; Aktenzeichen 34 F 150/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Beschluss des AG Oschersleben vom 30.8.2006 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung vorbehalten bleibt.
Gründe
I. Das AG Oschersleben hat - ohne vorherige Verhandlung - durch Beschluss vom 30.8.2005 den Ehescheidungsantrag des Antragstellers vom 13.9.2005 zurückgewiesen, weil ein Scheitern der Ehe gem. § 1566 BGB nicht festgestellt werden könne, da die Parteien erst seit August 2004 getrennt leben würden und die Antragsgegnerin der Ehescheidung ausdrücklich widersprochen habe. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 12.9.2005 Berufung eingelegt. Die Antragsgegnerin hat nunmehr mit Schreiben vom 29.11.2006 erklärt, dass sie gegen die Ablehnung der Scheidung Widerspruch einlege, weil sie der Scheidung zugestimmt habe; sie bitte, dem Scheidungsantrag stattzugeben.
II.1. Die Berufung ist zulässig. Es gilt das Meistbegünstigungsprinzip. Nach § 1564 BGB ist die Scheidung durch Urteil auszusprechen. Dieselbe Entscheidungsform gilt auch im Fall der Zurückweisung des Scheidungsantrages. Die Beschlussform ist lediglich dann die richtige Entscheidungsform, soweit weder über den Klageanspruch noch über einzelne dafür erhebliche Streitpunkte entschieden wird, also der Prozessstoff weder ganz noch teilweise in der Hauptsache erledigt wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., vor § 300 Rz. 1, 2). Streitgegenständlich ist vorliegend die Ehescheidung, so dass die Entscheidung hierüber der Urteilsform bedurft hätte.
2. Die Berufung führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG, nachdem die Beklagte dies beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Verfahren
im ersten Rechtszuge leidet an einem wesentlichen Mangel und auf Grund dieses Mangels ist eine umfangreiche oder aufwendige Aufklärung und Beweisaufnahme notwendig.
Das Gericht hat sachlich unrichtig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss den Ehescheidungsantrag zurückgewiesen. Unabhängig davon durfte sich das erstinstanzliche Gericht auch nicht allein auf § 1566 BGB stützen. Die einseitige Zerrüttung der Ehe auf Seiten eines Ehegatten reicht aus; es genügt, wenn aus dem Verhalten und den glaubhaften Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen (Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1564 Rz. 3). Hierauf hätte das erstinstanzliche Gericht hinweisen müssen und dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen, da der Antragsteller erkennbar irrig von einer einverständlichen Scheidung ausgegangen ist und es auf dieser Grundlage keines weiteren Vortrags bedurft hat.
Nachdem nunmehr auch die Antraggegnerin die Scheidung anstrebt, liegen die Scheidungsvoraussetzungen insoweit vor.
Der Senat sieht es nicht als sachdienlich an, in der Sache selbst zu entscheiden, da der zugrunde liegende Sachverhalt noch weiterer Aufklärung hinsichtlich des zu treffenden Versorgungsausgleiches bedarf. Insoweit ist bislang noch völlig ungeklärt, welche Anwartschaften während der Ehezeit erworben worden sind und in welchem Umfang diese auszugleichen sind.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das AG zurückzuverweisen, welchem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1771043 |
FamRZ 2007, 1752 |
OLGR-Ost 2007, 870 |
www.judicialis.de 2007 |