Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn sie im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit stehen, unterliegen Zahlungsansprüche in Sachsen-Anhalt nicht der obligatorischen Streitschlichtung nach § 34a Abs. 1 Nr. 2.a SchStG LSA.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 15.11.2022; Aktenzeichen 9 O 243/22) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Kläger wird das am 15. November 2022 verkündete Einzelrichterurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen, soweit die Kläger die Beklagten mit dem Klagantrag 1 auf Zahlung von 2.350,00 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die gemäß § 511 ZPO statthafte und zulässige, insbesondere gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat in der Sache nur teilweise vorläufig Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist insofern vorläufig begründet, als das angefochtene Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO auf den Hilfsantrag der Kläger aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, soweit die Kläger die Beklagten mit dem Klagantrag 1 auf Zahlung von 2.350,00 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen haben.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Klage hinsichtlich Klagantrag 1 zulässig.
Ein Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO in Verbindung mit § 34a Abs. 1 Nr. 2a SchStG LSA war nicht durchzuführen. Denn die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens scheidet dann aus, wenn es sich - trotz Geltendmachung eines nachbarschaftsrechtlichen Anspruchs von Nachbarn untereinander - um einen auf Zahlung gerichteten Anspruch handelt.
a. Gemäß § 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, dass die Erhebung der Klage in Streitigkeiten aus dem Nachbarrecht nach § 906 BGB erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Von dieser Ermächtigung wurde mit § 34a SchStG LSA Gebrauch gemacht und bestimmt, dass das Schlichtungsverfahren in Streitigkeiten wegen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück nach § 906 BGB stattzufinden hat.
b. Die Kläger machen gegen die Beklagten einen Zahlungsanspruch geltend, den sie selbst als Schadenersatzanspruch bezeichnen, weil es nach ihrer Behauptung im Zuge von Bauarbeiten der Beklagten zu Rauch- und Staubimmissionen gekommen sei, die zum Verlust von vier Bienenvölkern sowie zu Verschmutzungen ihrer Fassade bzw. ihrer Haustür geführt hätten. Dabei handelt es sich zwar um Fragen, die mit Ansprüchen aus § 906 BGB, für die gemäß § 34a Abs. 2 Nr. 1 SchStG ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, allerdings machen die Kläger im Rahmen von Klagantrag 1 keinen Abwehranspruch gemäß § 906 BGB, sondern einen Schadenersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend.
c. Bei einem solchen Zahlungsanspruch ist die Durchführung des Schlichtungsverfahrens keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Das hat der Bundesgerichtshof für nahezu wortgleiche Vorschriften im hessischen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HessSchlG), nordrhein-westfälischen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 NRWJustG), rheinland-pfälzischen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 RhPfLSchlG) und saarländischen Landesrecht (§ 37a Abs. 1 Nr. 1 AGJusG) bereits entschieden (BGH, Urteile vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, Rn. 10 ff. für § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HessSchlG; vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, Rn. 6 ff. für § 53 Abs. 1 JustG NRW; vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, Rn. 7 ff. für § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP; vom 27. Januar 2017 - V ZR 120/16 -, Rn. 10 und Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 22. März 2017 - 2 U 7/16 -, Rn. 39 für § 37a Abs. 1 Nr. 1 AGJusG SL; ebenso OLG Hamm, Urteil vom 6. Juni 2011 - I-5 U 32/11 -, Rn. 17 für den nordrhein-westfälischen § 53 Abs. 1 Nr. 1 NRWJustG; alle zitiert nach Juris; Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 5; MünchKomm-Gruber, ZPO, 6. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 29). Die Rechtslage im Land Sachsen-Anhalt stellt sich nicht anders dar.
aa. Der Senat ist mit der zitierten Rechtsprechung auch für Sachsen-Anhalt der Auffassung, dass die vorliegende Streitigkeit sich nicht unter § 34a Abs. 1 Nr. 2 a) SchStG LSA fassen lässt und derartige Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung unterliegen. § 34a Abs. 1 Nr. 2 a) SchStG LSA schreibt bei einer Zahlungsklage schon kein Schiedsverfahren vor, selbst wenn diese im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit steht.
bb. Eine teleologisch einschränkende Auslegung der Vorschrift dahin, dass die obligatorische Streitschlichtung nur bei erstmaliger und ernsthafter Gel...