Leitsatz (amtlich)
Die Nichtbestellung eines Notgeschäftsführers durch den Beklagten in seiner Eigenschaft als (Mit-)Gesellschafter der GmbH erfüllt nicht den Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB. Bei § 266a Abs. 1 StGB handelt es sich um einen Sonderdelikt, welches nur durch einen Arbeitgeber begangen werden kann. Arbeitgeber war vorliegend die M. GmbH. Zwar wird durch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch die Strafbarkeit eines vertretungsberechtigten Organs einer juristischen Person oder eines Mitglieds eines solchen Organs nach § 266a Abs. 1 StGB begründet, sofern eine juristische Person Arbeitgeber ist. Jedoch macht sich aufgrund des strengen Analogieverbots im Strafrecht hiernach nur derjenige strafbar, der im Zeitpunkt der Tatbegehung vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person (hier: GmbH) ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung trifft jedoch nur auf den Geschäftsführer einer GmbH (Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, StGB, 26. Aufl., § 14 Rz. 16/17), nicht auf deren Gesellschafter zu. Nach § 35 Abs. %1 GmbH wird die Gesellschaft durch den oder die Geschäftsführer nach außen vertreten. Ein Gesellschafter ist hingegen auch dann nicht zur Vertretung der GmbH berechtigt, wenn der Geschäftsführer wirksam abberufen wurde oder sein Amt niedergelegt hat und kein neuer Geschäftsführer bestellt worden ist. In diesem Fall ist die Gesellschaft (nach außen hin) handlungsunfähig (vgl. OLG Koblenz a.a.O.). Insoweit kann die Nichtbestellung eines Notgeschäftsführers durch den Gesellschafter einer GmbH, auch wenn dies für den Gesellschafter erkennbar zwangsläufig dazu führt, dass die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung den Einzugsstellen vorenthalten werden, den Straftatbestand des § 266a StGB nicht verwirklichen und somit keine Schadensersatzpflicht gem. § 823 Abs. %2 BGB auslösen.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Aktenzeichen 10 O 3084/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.3.2002 verkündete Urteil des LG Magdeburg – Az. 10 O 3084/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: unter 20.000 Euro
Gründe
A. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 12, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B. I. Die Berufung ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gegen den Beklagten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266a Abs. %1 StGB, 21 Abs. 2 SGB I, 168 Abs. 1 SGB V, 28h Abs. 1, 28d, 28e SGB IV auch in der Berufungsinstanz nicht hinreichend dargelegt. Für die Voraussetzungen eines solchen Anspruches ist sie in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig, insbesondere dafür, dass der Beklagte den Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB erfüllt hat. Die Klägerin hat jedoch weder in ausreichender Weise dargetan, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Dezember 1996 bis Juli 1997 Geschäftsführer der M. GmbH war (1.), noch haftet der Beklagte aufgrund seiner (unstreitigen) Gesellschafterstellung in dem betreffenden Zeitraum auf Schadensersatz (2.).
1. a) Das LG hat zunächst zutreffend ausgeführt (LGU S. 5, Bl. 82), dass sich die Geschäftsführerstellung des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zwangsläufig daraus ergibt, dass er in dem betreffenden Zeitraum als Geschäftsführer der GmbH im Handelsregister eingetragen war. Insbesondere dient die Publizität des Handelsregister lediglich dem Schutz Dritter im rechtsgeschäftlichen Verkehr. Insoweit wird auf die Ausführungen des LG verwiesen. Sofern der Geschäftsführer einer GmbH wirksam abberufen wird oder sein Amt niederlegt (dazu s.u. b)), hat die entsprechende Eintragung im Handelsregister gem. § 39 GmbHG lediglich deklaratorische Wirkung (Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 38 Rz. 91).
Die Tatsache, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum als Geschäftsführer der M. GmbH im Handelsregister eingetragen war (vgl. Handelsregisterauszug Bl. 20), führt vorliegend lediglich dazu, dass der Beklagte seine Geschäftsführerstellung in dem betreffenden Zeitraum nicht mehr pauschal bestreiten kann, sondern darzulegen und ggf. durch vorhandene Unterlagen zu belegen hat, dass entgegen der Eintragung im Handels-register seine Geschäftsführerstellung schon vor diesem Zeitraum endete. Da der Beklagte dem nachgekommen ist (s.u. b)), trifft die Beweislast ungeachtet der Handelsregistereintragung nach wie vor die Klägerin.
Auch die Tatsache, dass der Beklagte in dem Beschluss des AG Magdeburg vom 16.9.1997 (Az. 37 N 485/97, Bl. 74), mit dem das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M. GmbH eröffnet wurde, als Geschäftsführer der GmbH benannt wird, hat entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Beweiswert. Denn die Klägerin hat nicht dargelegt, wie das AG Magdeburg zu der Auffassung gelangt ist, der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach wie vor Geschäftsführer der GmbH. Es ist denkbar, dass das AG ...