Leitsatz (amtlich)
1. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstvertrages liegt vor, wenn sich der Geschäftsführer durch eine zwar wirksame, aber als unberechtigt zu qualifizierende Amtsniederlegung der Möglichkeit begibt, die Geschäftsführeraufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und damit deren rechtsgeschäftlichen Handlungsbereich in für diese unzumutbarer Weise verengt. Eine solche Amtsniederlegung ist auch dann als unberechtigt zu qualifizieren, wenn der Geschäftsführer infolge der Umsetzung an ihn gerichteter Weisungen der Gesellschafterversammlung eine für die Gesellschaft negative Entwicklung befürchtet und sogar mit einem drohenden Zusammenbruch des Unternehmens rechnet; auch in solchen Fällen bleibt der Geschäftsführer seiner Aufgabe verpflichtet, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns alles zu tun, was die Interessen der Gesellschaft erfordern, und zugleich die an sein Amt geknüpften öffentlich-rechtlichen Pflichten zu erfüllen.
2. Die außerordentliche Kündigung des Dienstvertrages mit dem Geschäftsführer ist auch dann berechtigt, wenn dieser durch seine Weigerung, einen ihn bindenden Beschluss der Gesellschafterversammlung umzusetzen, zum Ausdruck bringt, dass er mit deren Geschäftspolitik nicht mehr übereinstimmt und damit letztlich die Vollziehung des ihm übergeordneten Willens der Gesellschafterversammlung blockiert, sodass die Gesellschaft davon ausgehen muss, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer in verantwortlicher Position nicht mehr möglich sein wird. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft die von ihr in Aussicht genommenen Maßnahmen durch andere Organe durchsetzen kann, weil sie aufgrund des Verhaltens des Geschäftsführers damit rechnen muss, dass dieser die Vorstellungen der Gesellschafterversammlung nur „halbherzig” – möglicherweise auch nur nach entspr. konkreter Weisung im Einzelfall – umsetzten wird; der Gesellschaft ist es nicht zumutbar, dieses Risiko ständig vor Augen zu haben, da sie auf die Loyalität ihres Geschäftsführers vertrauen können muss.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 02.09.2003; Aktenzeichen 10 O 70/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2.9.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG H. wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des LG verwiesen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, sein Verhalten könne nicht als Pflichtverletzung des Anstellungsvertrages aufgefasst werden; er habe nämlich ausdrücklich erklärt, seine Dienste der Beklagten weiter zur Verfügung zu stellen. Er habe auch nicht das Ziel angestrebt, die Durchführung der Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern; der verbleibende Geschäftsführer L. habe die Verträge abschließen können, sodass die Beklagte im Außenverhältnis weiterhin voll handlungsfähig geblieben sei.
Zudem sei der Kläger entgegen der Auffassung des LG als Arbeitnehmer zu qualifizieren; dies ergebe sich aus den im „Innenverhältnis” zur Beklagten bestehenden Beschränkungen, die der Anstellungsvertrag sowie die Authority Limitations vorsähen.
Die Entscheidung des Klägers zur Amtsniederlegung sei i.Ü. nicht spontan erfolgt, sondern vielmehr das Ergebnis monatelanger Gespräche und Differenzen zwischen dem Kläger und der Beklagten gewesen. Insofern habe es das LG unterlassen aufzuklären, ob der von der Alleingesellschafterin zu zahlende Kaufpreis als gleichwertiges Äquivalent für die Übertragung der immateriellen Wirtschaftsgüter zu qualifizieren gewesen sei. Die Beklagte sei schließlich verpflichtet gewesen, den Kläger abzumahnen, bevor sie eine fristlose Kündigung aussprach.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Urteils des LG H. den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Hildesheim zurück zu verweisen;
2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des OLG, das Urteil des LG abzuändern und
a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13.12.2002, dem Kläger am 19.12.2002 zugegangen, beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht, hilfsweise, festzustellen, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13.12.2002, dem Kläger am 19.12.2002 zugegangen, beendet worden ist;
b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 Euro brutto nebst 5 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26.1.2003 zu zahlen;
c) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 Euro brutto nebst 5 % des über dem jeweiligen Bas...