Leitsatz (amtlich)
Ein sechs Meter hoher Ballfangzaun kann geeignet, aber auch ausreichend sein, den Überflug von Fußbällen von einem öffentlich zugänglichen Sportplatz auf ein benachbartes Privatgrundstück in erheblichem Umfang zu verhindern.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 10.11.2014; Aktenzeichen 4 O 260/13) |
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1. sowie auf die Anschlussberufung des Beklagten zu 2. wird das am 10.11.2014 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, solche Nutzungen des auf dem im Eigentum der Beklagten zu 1. stehenden Grundstücks, Flurstück 465 der Flur 1 der Gemarkung K., von dem Beklagten zu 2. betriebenen Sportplatzes zu unterlassen und zu unterbinden, aufgrund derer von dort dem im Eigentum der Kläger stehenden Grundstück, Flurstück 464 der Flur 1 der Gemarkung K., jahresdurchschnittlich mehr als ein Ball pro Woche zugeführt wird.
Den Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
II. Die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1. sind zulässig. Insbesondere sind sie an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 517, 519 und 520 ZPO).
Die Berufung des Beklagten zu 2. ist unzulässig, weil sie entgegen § 520 Abs. 1 und 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet worden ist. Allerdings ist sie nicht nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, sondern in eine zulässige Anschlussberufung i.S.d. § 524 ZPO umzudeuten. Für eine derartige Umdeutung genügt es, wenn sie von dem mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird und die Anschlussberufung form- und fristgerecht i.S.v. § 524 Abs. 2 ZPO eingelegt worden ist (z.B. BGH, JurBüro 2012, 391). Dies ist auch hier der Fall. Denn der Beklagten zu 2. hat mit Schriftsatz vom 9.11.2015 noch einmal ausdrücklich form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt.
Die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1. sowie die Anschlussberufung des Beklagten zu 2. sind teilweise begründet. Denn das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 1. Alt., 546 ZPO).
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nach § 13 GVG eröffnet, weil das Benutzungsverhältnis zwischen der beklagten Stadt und dem beklagten Sportverein, der den Sportplatz im Wesentlichen nutzt, nicht in den Formen des öffentlichen Rechts sondern durch einen privatrechtlichen Pachtvertrag geregelt ist. Im Übrigen ist die Zulässigkeit des Rechtswegs vom Senat ohnehin nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG).
Die Klage ist zulässig. Zwar hat es vor der Schlichtungsstelle der Stadt Dessau-Roßlau am 21.1.2010 eine teilweise Einigung der Parteien über einzelne Streitpunkte gegeben. Die obligatorische Streitschlichtung steht aber grundsätzlich der Erhebung einer Klage vor den ordentlichen Gerichten nicht entgegen. Denn diese ist dafür nur Zulässigkeitsvoraussetzung (§ 15a Abs. 1 EGZPO). Auch im Falle eines im Schlichtungsverfahren zustande gekommenen Vergleichs ist eine Klageerhebung nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen (z.B. OLG Rostock, Beschluss vom 2.4.2014 - 1 Sch 1/14, zitiert nach juris).
Soweit die Kläger von den Beklagten verlangen, es zu unterlassen und zu unterbinden, dass Bälle von Nutzern des Sportpatzgeländes auf ihr Grundstück gelangen (Klageantrag zu Nr. 1b), besteht für die Klage auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Parteien haben sich insoweit nicht vor der Schlichtungsstelle geeinigt.
Hinsichtlich der Punkte über die sich die Parteien geeinigt haben, ist das Rechtschutzbedürfnis zwar zweifelhaft, weil die Kläger unter Umständen aus der Vereinbarung vollstrecken können (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 34g Abs. 1 Satz 1 SchStG LSA), falls diese hinreichend bestimmt ist. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, weil das LG hinsichtlich dieser Punkte die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Liegt aber die sachliche Unbegründetheit der Klage auf der Hand, kann die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses unterbleiben (z.B. BGHZ 130, 390, 400).
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu Nr. 1b) teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagten nach § 1004 BGB einen Anspruch darauf, solche Nutzungen des Sportplatzes zu unterlassen und zu unterbinden, aufgrund derer jahresdurchschnittlich mehr als ein Ball pro Woche von dort auf ihr Grundstück fliegt. Nachdem dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, besteht die Gefahr einer erneuten Beeinträchtigun...