Leitsatz (amtlich)
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der auch der Senat ausgeht, verletzt ein Vertrag über die Veräußerung einer Steuerberatungskanzlei (gleich gelagert einer Rechtsanwaltskanzlei bzw. einer Arztpraxis), in der sich der Veräußerer unbeschränkt zur Übergabe der Mandanten- (respektive Patienten-)Akten ohne vorherige Einwilligung der betroffenen Mandanten verpflichtet, deren informationelles Selbstbestimmungsrecht und die dem Veräußerer nach § 203 StGB auferlegte Schweigepflicht (vgl. zuletzt: BGH v. 13.6.2001 – VIII ZR 176/00, MDR 2001, 1139 = BGHReport 2001, 665 = NJW 2001, 2462 [2464] m.w.N.).
2. Dem steht die Bestimmung einer „treuhänderischen” Aktenübernahme unter Zusicherung einer „berufsüblichen Behandlung” nicht entgegen.
3. Die rechtliche Qualifizierung der Beklagten als Dritte i.S.v. § 203 Abs. 1 StGB steht nicht im Widerspruch dazu, dass ein Erwerber in denjenigen Fällen, in denen der Praxisübertragung beispielsweise die Begründung einer gemeinsamen Außen-Sozietät mit dem Veräußerer bzw. eine Einstellung als steuerberaterlicher Mitarbeiter bzw. der Abschluss von einzelnen Dienstverträgen voraus geht, nicht (mehr) als Dritter angesehen wird.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 14 O 38/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 31.8.2001 verkündete Urteil des LG Halle, Az. 14 O 38/01, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 EUR abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Restkaufpreises aus einem „Kaufvertrag über eine Steuerberatungspraxis” in H. aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht des früheren Mitinhabers dieser Praxis. Soweit in erster Instanz zugleich über eine Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Teilzahlung auf den Kaufpreis – die Widerklage abweisend – entschieden worden war, hat die Beklagte diesen Teil der Entscheidung nicht angefochten.
Der zwischen den Parteien des Rechtsstreits am 1.3.2000 geschlossene Kaufvertrag bezieht sich nach § 1 – „Gegenstand des Vertrages” – auf den Erwerb der „Gesamtheit der … betriebenen Steuerberatungspraxis”, insbesondere sämtlicher Mandantenbeziehungen und des gesamten materiellen Praxisinventars auf den Stichtag 1.3.2000. Der Vertragsurkunde ist daher u.a. als Anlage 1 eine Übersicht über die Mandantenbeziehungen unter Angabe von Mandantennummer, Alter, ausgeübter Beratungstätigkeiten und mandantenbezogenem Gebührenumsatz beigefügt. Die Parteien hatten einen Pauschalkaufpreis i.H.v. 140.000 DM zzgl. Umsatzsteuer vereinbart, von dem nach dem Inhalt des Kaufvertrages (§ 6) 123.175 DM auf den „immateriellen Praxiswert” und 16.825 DM auf das mobile Inventar entfallen.
Als Zeitpunkt der Übereignung durch Übergabe der Praxisräume ist der 1.3.2000 bestimmt. Hinsichtlich der Überleitung des Mandantenstammes ist in § 2 des Vertrages geregelt, dass die Beklagte sämtliche Mandantenakten „treuhänderisch … mit der Zusicherung der berufsüblichen Behandlung, insbesondere der Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht” übernimmt. Für den Fall, dass einer der vom Kläger über den Praxisverkauf erst noch zu unterrichtenden Mandanten der Überleitung seines Mandatsverhältnisses auf die Beklagte widersprechen sollte, ist im Vertrag vorgesehen, dass die Beklagte dessen persönliche Unterlagen an den betreffenden Mandanten gegen Quittung aushändigt. Die Beklagte soll nach § 2 Nr. 3 des Vertrages in die bestehenden Mandatsvereinbarungen in dem am 1.3.2000 bestehenden Arbeitsstand eintreten und alle angearbeiteten, aber erst von ihr fertig gestellten Aufträge auch selbst abrechnen. In § 8 Nr. 1 enthält der Kaufvertrag eine salvatorische Klausel.
Eine Einverständniserklärung der Mandanten wegen der Übergabe der sie betreffenden Akten an die Beklagte lag z. Zt. des Vertragsschlusses nicht vor und wurde auch später nicht eingeholt. Die Beklagte zahlte auf den Kaufpreis einen Betrag von 81.200 DM brutto. Weitere Zahlungen leistete sie unter Berufung auf eine vermeintliche Unwirksamkeit des Kaufvertrages wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB), Anfechtung und Wandlung – jeweils wegen arglistiger Täuschung – nicht Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F..
Das LG Halle hat die Klage abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kaufvertrag zumindest hinsichtlich „des Verkaufs der Mandantenbeziehungen” nach § 134 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB ni...