Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäudeleittechnik
Leitsatz (amtlich)
1. Das Zivilgericht stellt die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadenersatzanspruches wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen selbst fest, es ist an etwaige Entscheidungen der Vergabeprüfstelle bzw. des Vergabeüberwachungsausschusses bzw. der Aufsichtsbehörde des öffentlichen Auftraggebers nicht gebunden. Etwas anderes gilt nach § 124 Abs. 1 GWB lediglich für bestandskräftige Entscheidungen der Vergabekammern bzw. rechtskräftige Entscheidungen der Vergabesenate der OLG bzw. des nach § 124 Abs. 2 GWB angerufenen BGH.
2. Enthalten die Verdingungsunterlagen lediglich den Hinweis auf das Erfordernis der rechtsverbindlichen Unterzeichnung, so genügt dem auch die Unterschrift eines Vertreters bzw. Beauftragten, soweit dieser mit entsprechender Vertretungsmacht handelt. Ein urkundlicher Nachweis seiner Vertretungsmacht ist nur Aufforderung des Auftraggebers und innerhalb der vom Auftraggeber hierfür gesetzten Frist zu erbringen.
3. Nimmt ein Bieter Änderungen an der Leistungsbeschreibung (hier: Veränderung der Abmessungen von Schaltschränken, Mindermengen einer Eventualposition) vor und legt er seinem Angebot seine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde, so ist sein Angebot nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A wegen jedem der drei Verstöße zwingend auszuschließen. Es kommt nicht darauf an, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale oder wichtige oder eher unwesentliche Leistungspositionen betreffen oder ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf die Funktionalität des Angebots haben können.
4. Zwar eröffnen § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A dem Auftraggeber einen großen Beurteilungsspielraum bei der Wertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote; dieser ist jedoch überschritten, wenn die Vergabeentscheidung auf objektiv widerlegten Vorurteilen des Beraters des Auftraggebers beruht.
5. Zur Ermittlung der Höhe des entgangenen Gewinns nach § 287 ZPO trotz unzureichender Darlegung der Angebots-Urkalkulation.
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.3.2004 verkündete Urteil des LG Halle, 11 O 73/96, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Bietergemeinschaft in einem Vergabeverfahren, begehrt von der Beklagten, der Vergabestelle dieses Verfahrens, Schadenersatz in Form ihres positiven Interesses an der Auftragserteilung wegen angeblicher vergaberechtswidriger Bezuschlagung eines Konkurrenzangebots.
Die Beklagte, eine Anstalt öffentlichen Rechts, schrieb im Jahre 1995 den Bauauftrag "Neubau Verwaltungsgebäude, Tiefgarage und Dienstwohnungen", getrennt nach Fachlosen, aus, darunter das Los 9 "Gebäudeleittechnik". Die Ausschreibung erfolgte EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 1992.
Die Verdingungsunterlagen enthalten Bewerbungsbedingungen sowie eine durchgehend paginierte Leistungsbeschreibung, bestehend u.a. aus einer allgemeinen Anlagenbeschreibung (S. 3 bis 9), Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen (S. 10 bis 28) sowie ein Leistungsverzeichnis (S. 47 bis 184). Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
Innerhalb der Angebotsfrist gingen sechs Hauptangebote ein. Nach rechnerischer Prüfung der Hauptangebote lag das Angebot der Klägerin mit einer Bruttoangebotssumme von 3.070.671,09 DM an erster Stelle. Das zweitplatzierte Angebot stammte von der J. GmbH (künftig: J.) und endete auf 3.092.541,85 DM. Ein Angebot konnte nicht gewertet werden, weil es erhebliche Änderungen ggü. den Verdingungsunterlagen aufwies; zwei weitere Angebote waren preislich weit abgeschlagen.
Die Beklagte bezog die Angebote der Klägerin und der J. in die engere Auswahl ein. Sie entschied sich letztlich für das Angebot der J. und erteilte diesem Unternehmen den Zuschlag für den ausgeschriebenen Bauauftrag.
Auf Antrag der Klägerin stellte die Vergabeprüfstelle des Regierungspräsidiums Halle mit Bescheid v. 20.12.1995 fest, dass das Vergabeverfahren rechtswidrig durchgeführt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insb. wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das LG Halle hat mit seinem am 31.3.2004 verkündeten Urteil der auf 509.351,83 Euro bezifferten Klage teilweise und unter Abweisung im Übrigen i.H.v. 319.974,47 Euro stattg...