Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenaufbruch
Leitsatz (amtlich)
1. Die ausdrückliche Angabe einer Bodenkontamination in den Vergabeunterlagen ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich aus den gesamten Vertragsumständen klar ergibt, dass eine derartige Belastung vorliegt.
2. Ein 58 Seiten umfassender geotechnischer Bericht kann nicht dadurch wirksam in die Vergabeunterlagen einbezogen werden, dass in der allgemeinen Baubeschreibung ein Hinweis auf ihn und darauf erfolgt, dass Bieter die Möglichkeit einer Einsichtnahme erhalten.
3. Ein Bieter darf bei einem erkennbar lückenhaften Leistungsverzeichnis nicht einfach von einer ihm günstigen Preisermittlungsgrundlage ausgehen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebotes zu klären versuchen.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 18.01.2018; Aktenzeichen 11 O 320/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. Januar 2018 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des Landgerichts sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten zusätzlichen Werklohn für Tiefbauarbeiten; streitig ist eine auf § 2 Abs. 5 VOB/B 2012 gestützte Nachtragsposition.
Die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt schrieb in Bundesauftragsverwaltung für die Beklagte (künftig verkürzt: die Beklagte) im November 2014 die Vergabe von Bauleistungen für das Bauvorhaben "B 1 Ortsdurchfahrt G., W. Straße - Straßenbauarbeiten, Nebenanlagen, Kanalisation" in Losen als Einheitspreisvertrag unter Einbeziehung der VOB/B 2012 aus. Die zu erneuernde Bestandstraße wies einen dreischichtigen Aufbau aus: Die oberste Schicht bestand aus einer Asphalt-Fahrbahn und aus Gehwegen aus Pflastersteinen; die mittlere Schicht, der sog. gebundene Oberbau, bestand aus einer festen Betondecke oder - abschnittsweise - aus Pflastersteinen und einer hydraulisch gebundenen Tragschicht (HGT), d.h. aus einem Schotter-Magerbeton-Gemisch; die untere Schicht, der sog. ungebundene Oberbau, bestand aus Schotter.
In der allgemeinen Baubeschreibung (vgl. Anlage K 3) führte die Beklagte unter Ziffer 1.1.1.3 "Baugrund / Erdarbeiten" (S. 8) u.a. aus, dass sie ein geologisches Baugrundgutachten einschließlich einer umweltrelevanten Untersuchung der Ingenieurgesellschaft F. mbH eingeholt habe und dass dieser geotechnische Bericht zur Einsichtnahme bei der Landesstraßenbaubehörde vorliege. Sodann heißt es:
"... Der Anteil des gebundenen Oberbaus besteht aus bituminösen Schichten mit einer Dicke von 9,5 bis 11 cm. Örtlich erhöht sich diese Schichtdicke auf ca. 20 cm. Unterhalb der Asphaltschichten wurde stellenweise im Bereich der B. Chaussee ein bitumengetränktes Vlies zur Vermeidung von Reflexionsrissen verbaut. ...
Ergänzend zum Baugrundgutachten erfolgte eine umweltrelevante Untersuchung. Der bituminösen Schichten des Oberbaus wurden der Verwertungsklasse "A" zugeordnet.
Die ungebundenen Schichten des Oberbaus wie Pflaster, Packlage und Schottertragschicht wurden als n.g.A. (nicht gefährlicher Abfall) eingestuft und sind nach Aufbereitung als Straßenbaustoff wieder verwendungsfähig, Zuordnungsklasse ≪ = Z 2 gemäß TR LAGA M 20.
Die untersuchten Proben des planmäßigen Aushubhorizontes ergeben bei dem geplanten Bodenaushub einen nichtüberwachungsbedürftigen Ausbaustoff, Zuordnungsklasse ≪ = Z 2 gemäß TR LAGA M 20.
Untersuchung des Oberbodens ergab eine Einstufung des Materials in die Deponieklasse II bzw. III. ...
Die vorhandenen Material der Rad- und Gehbahnen, der Unterbauten sowie der Bodenaushub wurde als nicht gefährlicher Abfall eingestuft und sind nach der Aufbereitung als Straßenbaustoff wiederverwendungsfähig. Entsprechend der durchgeführten Analysen ergibt sich die Zuordnungsklasse ≪ = Z 2 gemäß TR LAGA M 20."
(Unterstreichung jeweils vom Senat)
Der in Bezug genommene geotechnische Bericht der Ingenieurgesellschaft F. mbH vom 28.05.2013 (vgl. Anlage K 9) enthielt insoweit folgende Feststellung (S. 8):
"Die hydraulisch gebundenen Oberbauschichten, die Pflasterdecke und der ungebundenen Tragschicht sind bautechnisch und im Ergebnis der umweltrelevanten Untersuchungen nach Aufbereitung als Straßenbaustoff wiederverwendungsfähig, Zuordnungsklasse ≪/= Z 2 gemäß TR LAGA M 20, 2004."
Diese Feststellung wurde auf S. 34 ff. unter Ziffern 4.1.5.2 und 4.1.6.2 des geotechnischen Berichts jeweils dahin untersetzt, dass sich im Ergebnis der chemischen Untersuchung von Bohrproben der hydraulisch gebundenen Tragschichten (HGT) jeweils die Einstufung in die Zuordnungsklasse Z 2 und n.g.A. ergebe. Unter Ziffern 4.1.5.3 und 4.1.6.3 wurden die ungebundenen...