Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigentumsübertragung
Normenkette
EGBGB Art. 233 §§ 11, 12 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 14, 20 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 06.07.1994; Aktenzeichen 5 O 646/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 06. Juli 1994 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg (Az.: 5 O 646/94) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 148.000,– DM, die auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann, abzuwenden, wenn nicht das klagende Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt für die Beklagte 60.000,– DM.
Tatbestand
Das klagende Land begehrt als Landesfiskus von der Beklagten die unentgeltliche Auflassung des Eigentums an Grundstücken aus der Bodenreform.
Die Beklagte ist im Grundbuch von … Bl. 31718 als Eigentümerin der Grundstücke Flur 6, Flurstück 100/1, und Flur 15, Flurstück 9/1, eingetragen. Dieser Grundbesitz mit einer Größe von 52.427 m² stammt aus der Bodenreform und war ursprünglich dem Vater der Beklagten aufgrund der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Sachsen vom 03.09.1945 (VOBl. für die Provinz Sachsen 1945 Nr. 1 S. 28) zugewiesen worden. Die Beklagte hat zunächst gemeinsam mit ihrer Mutter … den am 27.04.1977 verstorbenen Vater und ausweislich des Erbscheins des Staatlichen Notariats … vom 19.07.1988 ihre nachverstorbene Mutter alleine beerbt. Aufgrund dieses Erbscheins wurde die Beklagte am 15.08.1991 als Eigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke im Grundbuch von … eingetragen. Die Beklagte war bei Ablauf des 15.03.1990 nicht in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft der ehemaligen DDR tätig.
Nach dem Beitritt des Vaters der Beklagten in die LPG „Neues Leben” … nutzte diese seit Mitte der 50er Jahre die Ackerflächen und errichtete auf einer Teilfläche von ca. 500 m² zum Zwecke der Junghennenaufzucht ein massives Gebäude, das als Brüterei diente, sowie mehrere Sozialräume. Ein Wirtschafts- und Sozialgebäude diente u. a. als Heizungsgebäude und Elektrowerkstatt. Auf einer weiteren Teilfläche der Bodenreformgrundstücke erstellte die LPG in der Folgezeit 18 Aufzuchthütten mit einer Größe von je 80 m² zur Aufzucht von Junghennen. Die verbleibende Grundstücksfläche diente als Auslauf für die Junghennen. Eine ursprünglich geplante Nutzung eines Teils der Grundstücke zur Nerzfellaufbereitung erfolgte aber nicht. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Grundstücke von der LPG auch nach 1989 noch landwirtschaftlich genutzt wurden.
Das klagende Land hat vorgetragen:
Nach Einstellung der Junghennenaufzucht sei die gesamte Grundstücksfläche nur noch als Schaf- und Rinderweide sowie zur Gewinnung von Grünfutter und Heu genutzt worden. Es hat überdies die Auffassung vertreten, ihm stehe nach Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB der geltend gemachte Eigentumsübertragungsanspruch zu, weil die Beklagte die Voraussetzungen für eine Zuteilung des Grundbesitzes nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 a und 2 b EGBGB nicht erfülle und der Landesfiskus daher die Stellung eines Berechtigten im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB erhalte.
Das klagende Land hat beantragt,
ie Beklagte zu verurteilen, die im Grundbuch von … Bl. 31718 eingetragenen Grundstücke Flur 6, Flurstück 100/1 in Größe von 46.077 m² sowie Flur 15, Flurstück 9/1 in Größe von 6.350 m aufzulassen und die Eintragung des klagenden Landes im Grundbuch zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die LPG habe die Junghennenaufzucht auf den streitgegenständlichen Grundstücken bereits im Jahre 1989 eingestellt. Sie hat bestritten, daß die Flächen danach als Schaf – und Rinderweide sowie zur Grünfutter- und Heuproduktion genutzt worden seien– Sie hat weiter vorgetragen, daß eine gewerbliche Nutzung der Grundstücke als Pelztieranlage zwar nicht erfolgte, gleichwohl die Umrüstung zur Pelztierfarm in vollem Gange gewesen sei. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, die durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14.07.1992 (BGBl. I S. 1257) eingefügten §§ 11–16 des Art. 233 EGBGB verstießen gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 2 Abs. 1, 20 GG sowie gegen die in Art. 14 GG verankerte Eigentumsgarantie und seien daher unwirksam.
Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil vom 06. Juli 1994 stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Dem klagenden Land stehe gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB gegen die Beklagte ein Anspruch auf unentgeltliche Auflassung der streitgegenständlichen Grundstücke zu, da diese wegen der Aufzucht von Junghennen landwirtschaftlich genutzt worden seien und die Beklagte mangels Zuteilungsfähigkeit nicht die Stellung einer gemäß Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 b vorrangig Berechtigten gehabt habe. E...