Leitsatz (amtlich)
1. Erstreckt sich eine Transportversicherung auf Beförderungsleistungen mit drei jeweils als "Sattelzug" bezeichneten Fahrzeugen, bezeichnet jeweils mit dem amtlichen Kennzeichen der Zugmaschine, so umfasst sie auch den Anhänger, auch wenn dieser ein anderes Kennzeichen als die Zugmaschine aufweist.
2. Bei einer gem. § 307 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes teilweise unwirksamen Klausel zu einer sog. "verhüllten Obliegenheit" des Versicherungsnehmers ist eine Lückenfüllung durch eine entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 2 VVG möglich.
3. Wird bei der Einstellung eines Fahrers für Transporte von Waren nicht unerheblichen Wertes auf die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses verzichtet, wird die im Verkehr erforderliche Sorgfalt grob fahrlässig verletzt (Obliegenheitsverletzung gem. § 9 AVB).
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen 31 O 42/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.12.2012 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Stendal unter deren Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die Klägerin bis zu einem Betrag i.H.v. 20.298,61 EUR von Ansprüchen Dritter aus dem Frachtvertragsverhältnis zwischen ihr und der D. GmbH & Co. KG vom 19.8.2010 wegen des Abhandenkommens des Transportgutes freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die im ersten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 36 %, die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner i.H.v. 30 % sowie die Beklagte zu 1) in Höhe 34 %. Die im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner i.H.v. 30 % sowie die Beklagte zu 1) i.H.v. 34 %. Die im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 71 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Die im Berufungsverfahren entstandenen Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagte zu 2) zu 15 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) zu 15 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 70 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre im Berufungsrechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Dieses Urteil ist ebenso wie das mit der Berufung angegriffene Urteil des LG ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn dieser nicht vor der Zwangsvoll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision der Klägerin gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 67.663 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hat gegen die am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligte Beklagte zu 1) erstinstanzlich einen Zahlungstitel wegen eines Schadensersatzanspruchs aus dem Verlust von Transportgut durch Diebstahl i.H.v. 67.662,63 EUR erstritten. Sie hatte zunächst umfassend Berufung eingelegt, nimmt im Berufungsverfahren nunmehr jedoch nur noch die Beklagte zu 2) als deren Transportversicherer in Anspruch und meint, dieser gegenüber bestehe ein Direktanspruch gem. § 115 VVG.
Hauptauftraggeberin des Transports war die Fa. W. GmbH. Diese hatte die Fa. D. GmbH & Co. KG mit dem Transport von 18.137 kg Stahl (Rund-stäbe) von ihrem Sitz in B. nach F. und I. beauftragt. Diese hatte den Auftrag an die Klägerin weitergereicht, die wiederum die Beklagte zu 1) mit der Durch-führung betraut hatte. Die Fa. W. GmbH hatte den Transport über eine Transportversicherung bei der L. Versicherungs AG abgesichert, die den Diebstahlschaden in jenem Verhältnis in voller Höhe reguliert hat. Die Fa. D. GmbH & Co. KG wie auch die Klägerin haben für den Transport jeweils eine Verkehrshaftpflichtversicherung abgeschlossen, erstere bei der M. S/A, letztere bei der Z. plc.
Nachdem der Fahrer der Beklagten zu 1), der Zeuge P., die Ware am 20.8.2010, einem Freitag, mit einem Sattelzug übernommen hatte, stellte er den Anhänger (Kenn-zeichen:...) in einem Gewerbegebiet in E. ab und fuhr mit der Zug-maschine (amtl. Kennzeichen:...) zu seinem ca. 35 km gegen die Fahrtrich-tung entfernt liegenden Wohnort in H. zurück, wo er das Wochenende verbrachte. Der Trailer wurde in der Nacht auf den 23.8.2010 von Unbekannten komplett entwendet und später ohne die Ware in A. wieder aufgefunden.
Die der Beklagten zu 1) von der Beklagten zu 2) ausgestellte Versicherungspolice ent-hält in Ziff. 8 ein sog. "Fahrzeugverzeichnis". Dort heißt es: "Die Versicherung gilt für Beförderungsleistungen mit den nachstehend genannten Fahrzeugen,...", wobei nach-folgend drei jeweils als "Sattelzug" bezeichnete Fahrzeuge mit ihrem amtlichen Ke...