Leitsatz (amtlich)
1. Ist durch einen von einem Dritten verschuldeten Unfall keine Arthrose entstanden, aber eine vorhandene bislang beschwerdefreie Arthrose "aktiviert" worden, so haftet dafür der Schädiger. Er hat aber nur solche Schäden zu ersetzen, die infolge der vorzeitigen Verschlechterung der Arthrose eingetreten sind.
2. Beruft sich der Schädiger dabei darauf, dass die dadurch ausgelösten Beschwerden auch ohne das Unfallgeschehen zeitnah eingetreten wären, trägt er hierfür die Beweislast. Dabei kommt ihm allerdings die Beweiserleichterung aus § 287 ZPO zugute.
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 14.12.2010; Aktenzeichen 21 O 196/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.12.2010 verkündete Urteil des LG Stendal unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 94 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 6 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger war am 5.6.2007 im Kreuzungsbereich der B. mit der K. an einem Verkehrsunfall beteiligt. Er befuhr die vorfahrtsberechtigte B. in Richtung K. und wurde von dem die Vorfahrt missachtenden Beklagten zu 1) im Bereich des vorderen rechten Kotflügels gerammt. Das Fahrzeug des Klägers drehte sich und blieb in Richtung G. stehen. Der Kläger wurde unmittelbar nach dem Unfall in das Altmarkklinikum G. verbracht. Zum dort erhobenen Befund wird Bezug genommen auf den Bericht vom 19.6.2006 (Bl. 21/22 I). Der Kläger hat dort nicht über Kniebeschwerden geklagt. Am 6.6.2006 stellte sich der Kläger bei seinem Hausarzt, dem Zeugen Kr., vor. Auch zu diesem Zeitpunkt berichtete der Kläger nicht über Kniebeschwerden. Erst am 19.6.2006 wurde der Kläger wegen Kniebeschwerden zu einem Orthopäden überwiesen. Eine konservative Behandlung erbrachte nicht den gewünschten Erfolg. Beim Kläger wurden im April 2008 bzw. Juni 2009 in beiden Knien im Universitätsklinikum H. Teilknieprothesen implantiert. Die Parteien streiten darüber, ob die die Operationen notwendig machende Arthrose eine unmittelbare Folge des Unfallgeschehens ist, oder ob eine beim Kläger bereits zuvor - beschwerdefrei - angelegte Arthrose durch das Unfallgeschehen "aktiviert" wurde. Die Beklagte zu 2) hat - unstreitig - an den Kläger einen Betrag von 17.479,50 EUR gezahlt, wovon ein Teilbetrag von 2.500 EUR als Schmerzensgeld gezahlt wurde. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 17.500 EUR sowie die Behandlungskosten im Zusammenhang mit den beiden Knieoperationen in H., die er mit - zuletzt - 8.507,96 EUR beziffert. Er stellt weiter einen Feststellungsantrag, der sich auch auf den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bezieht (ausgehend von einem Gegenstandswert von 42.479 EUR./. von der Beklagten zu 2) gezahlter 1.129,31 EUR = Differenz: 656,88 EUR).
Das LG hat Beweis erhoben über die Frage, ob die Kniebeschwerden des Klägers einschließlich der Erforderlichkeit der operativen Eingriffe in H. unmittelbar kausal durch das Unfallgeschehen verursacht wurden (Bl. 111 - 113 I). Der Sachverständige Dr. B. hat ein schriftliches Gutachten erstellt (Bl. 223 - 231 I), das er zunächst schriftlich ergänzt (Bl. 29 - 33 II) und sodann im Termin vom 30.11.2010 mündlich erläutert hat (Bl. 78 - 80 II). Das LG hat weiter den Hausarzt des Klägers als Zeugen gehört (Protokoll vom 13.3.2009 - Bl. 105 - 107 I).
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das LG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Eine durch das Unfallgeschehen entstandene sekundäre Arthrose könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Zwar könne der Kläger auch nicht beweisen, dass die bei ihm bereits angelegte Arthrose durch das Unfallgeschehen aktiviert worden sei. Aber selbst wenn man dies zugunsten des Klägers annehmen würde, sei nur der Schaden ersatzfähig, der durch den früheren Eintritt ("Verfrühungsschaden") der Notwendigkeit zur Operation entstanden sei. Ein solcher Schaden könne indes nicht festgestellt werden, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass auch ohne das Unfallgeschehen...