Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 30.06.2022; Aktenzeichen 23 O 434/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Juni 2022 verkündete Einzelrichterurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 30. Juni 2022 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Und beschlossen:
...
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.356,51 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin des in dem von ihm am 30. Juni 2017 erworbenen Fahrzeug VW Touareg verbauten Dieselmotors wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger erwarb mit Fahrzeugkaufvertrag vom 30. Juni 2017 von dem Autohaus ... GmbH in Dortmund einen Pkw VW Touareg V 6 TDI 193 kW (262 PS) als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis von 39.777,00 Euro brutto (33.426,05 EUR netto). Der Pkw, der am 05. April 2016 erstzugelassen worden war, wies im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses eine Laufleistung von 24.804 km auf.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickeltem und hergestellten 3.0 Liter V6 TDI-Turbodieselmotor (193 kW) ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typengenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO (EG) 715/2007) mit der Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Der Pkw verfügt werkseitig über eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster), bei der ein Teil der Abgase wieder zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen zurückgefahren (sog. "Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird. Zur Reduktion der NOx-Rohemissionen kommt neben der Abgasrückführung (AGR) in dem streitbefangenen Fahrzeug als Abgasnachbehandlungsmethode ein SCR-Katalysator mit sog. "Adblue-Technologie" zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Abgasnachbehandlung mit dem Harnstoffgemisch AdBlue, das durch die hohen Temperaturen im Abgassystem in Ammoniak umgewandelt wird, der anschließend in dem SCR-Katalysator mit den im Abgas enthaltenen Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser reagiert.
Das Fahrzeug unterlag einem im Jahr 2017 von dem Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) erlassenen verpflichtenden Rückruf zur "Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen beziehungsweise der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems", von dem die Beklagte den Kläger in Kenntnis setzte. Das Kraftfahrtbundesamt beanstandete insbesondere, dass das Fahrzeug über eine nur auf dem Prüfstand des NEFZ wirkende Aufheizstrategie verfüge, die dafür sorge, dass der NOx-Grenzwert dort sicher eingehalten werde. Die Aufheizstrategien (Strategie A und B) würden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aktiviert, die alle gleichzeitig vorliegen müssten, was nahezu ausschließlich unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) der Fall sei. Die temperatur- und druckgeführten Größen seien so eng bedatet, dass die Aufheizstrategien nahezu ausschließlich im NEFZ und unter den dort definierten Prüfbedingungen wirkten. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie. In der Zusammenschau ergebe sich das Vorhandensein einer Prüfzykluserkennung zum Zwecke der Erhöhung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Die von der Beklagten applizierten Schaltkriterien seien so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im NEFZ aktiviert bzw. nicht abgeschaltet werde. Beim Einsatz der Aufheizstrategien (Strategie A und B) werde die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80mg/km bei der Prüfung sicher vermieden. Werde die Aufheizstrategie (Strategie A) abgeschaltet, verschlechtere sich das Stickoxidemissionsverhalten des betroffenen Fahrzeuges. Nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes enthält das Motorsteuergerät mit der Strategie A eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Auch soweit die in Rede stehenden Fahrzeuge einen SCR-Katalysator verwendeten, der systembedingt mit Reagens betrieben werden müsse (Strategie E), werde die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert. Gründe für eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen lägen nicht vor. Wegen der weiteren E...