Leitsatz (amtlich)
Ein in erster Instanz unterlassener Vollstreckungsschutzantrag hinsichtlich des erstinstanzlichen Urteils kann nicht im Berufungsrechtszug nachgeholt werden. Der Antrag nach § 712 ZPO kann in der Berufungsinstanz nur hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des zweitinstanzlichen Urteils gestellt werden.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Aktenzeichen 3 O 90/12) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Gestattung zur Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 718 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Der Antrag ist bereits unzulässig, da dieser Antrag nicht bereits erstinstanzlich gestellt worden ist.
Ob ein Schutzantrag gem. § 712 ZPO auch erstmals in der Berufungsinstanz im Hinblick auf die Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils gestellt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
So wird teilweise die Auffassung vertreten, ein Schutzantrag sei jederzeit möglich (vgl. Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, § 714 Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, § 714 Rz. 3; OLG Stuttgart MDR 1998, 858; OLG Bamberg FamRZ 1990, 184; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 1024).
Nach dieser Auffassung soll sich aus § 714 ZPO nicht ergeben, dass der Antrag in der ersten Instanz gestellt werden müsse. Im Übrigen wird regelmäßig auf ein praktisches Bedürfnis für den Fall hingewiesen, dass sich nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bzw. Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Ausgangsgerichts eine Änderung der Sachlage ergibt.
Demgegenüber wird in der neueren Rechtsprechung (vgl. KG, in MDR 2000, 478; OLG Frankfurt in MDR 2009, Seite 229; Hanseatisches OLG in MDR 1994, 1246) und in einem Teil der Rechtsprechung (vgl. Zöller/Herget, ZPO, § 714 Rz. 1; Musielak/Lackmann, ZPO, § 714) die Auffassung vertreten, ein in erster Instanz unterlassener Vollstreckungsschutzantrag könne nicht im Berufungsverfahren nachgeholt werden.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Ausgangspunkt für diese Auffassung ist der völlig unzweideutige für diese Meinung sprechende Gesetzestext (s. auch Hanseatisches OLG, in MDR 1994, 1246 (1247)). Würde man ein Nachholen des Antrages in der Berufungsinstanz zulassen, wäre ein Anwendungsbereich für § 714 ZPO nicht mehr erkennbar.
Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Vorschrift des § 716 ZPO. Ist nämlich über einen rechtzeitig gestellten Schutzantrag nicht entschieden worden, so sind wegen der Ergänzung des Urteils die Vorschriften des § 321 ZPO anzuwenden.
Dies hätte im Ergebnis zur Folge, dass dann, wenn der Vollstreckungsschuldner den Antrag rechtzeitig in erster Instanz gestellt hat, er lediglich innerhalb der Fristen des § 321 ZPO eine Ergänzung des Urteils beantragen könnte; hat er keinen Antrag gestellt, kann er jeder Zeit ohne Einhaltung von Fristen im Berufungsverfahren den Vollstreckungsschutzantrag nachholen. Dies widerspräche der Systematik der §§ 704 ff. ZPO.
Dem steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 4.9.2012 (II ZR 207/12) entgegen. Der BGH geht dort tatsächlich davon aus, dass der Antrag gem. § 712 ZPO auch in der Berufungsinstanz gestellt werden kann. Dem widerspricht die Auffassung des Senates auch nicht. Allerdings geht es dabei um die Vollstreckbarkeit des zweitinstanzlichen Urteils, nicht um die des erstinstanzlichen Urteils. Irgendwelche Ausführungen des Senates zu dieser Frage enthielt der Hinweis nicht.
Da für den Senat nur das erstinstanzliche Urteil maßgebend ist, ging es auch nur um die Frage, ob erstinstanzlich der Schutzantrag gestellt worden ist. Der BGH hat sich jedoch mit der Frage befasst, ob der Schutzantrag zweitinstanzlich (für das Berufungsurteil) hätte in der Berufungsinstanz gestellt werden können und müssen. Dies hat er bejaht.
Die Entscheidung stützt bei genauer Betrachtung die Auffassung des Senates, dass der Antrag gem. § 712 ZPO in der Verhandlung in der Instanz gestellt werden muss, auf die das Urteil ergeht (dies kann auch ein Berufungsurteil sein).
Hinzu kommt, dass - und dies ist an dem vorliegenden Verfahren eindeutig erkennbar - ein praktisches Bedürfnis für die Zulassung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 712 ZPO im Berufungsverfahren nicht erkennbar ist.
Der Berufungsführer ist über §§ 707, 719 ZPO ausreichend geschützt.
Zwar sind die Anforderungen zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach diesen Normen weiter gehender, da die Erfolgsaussichten der Berufung zu prüfen sind. Dies führt aber nicht dazu, dass der Vollstreckungsschutzantrag gem. § 712 ZPO auch noch in der Berufung zugelassen werden müsste. Grundsätzlich sollen erstinstanzliche Urteile vollstreckt werden können. Nur dann, wenn die Erfolgsaussichten der Berufung gem. §§ 707, 719 ZPO zu bejahen sind, soll die Möglichkeit bestehen, die Vollstreckung einstweilen einzustellen.
Insbesondere hätte der Vollstreckungsschutzantrag gem. § 712 ZPO