Leitsatz (amtlich)
1. Ob in der Versagung einer Rodungsgenehmigung im Jahre 1994 eine Amtspflichtverletzung liegt, ist auch dann vom Zivilgericht eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ein VG die Behörde im Jahre 1999 rechtskräftig zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet hat.
2. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht eines Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, so kann aus der späteren Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch ein VG ein Schuldvorwurf nicht abgeleitet werden.
3. Die gerichtliche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches nach § 21 Abs. 1 LWaldG LSA 1994 setzt ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren voraus.
Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 19.04.2007; Aktenzeichen III ZR 187/06) |
LG Halle (Saale) (Urteil vom 25.11.2005; Aktenzeichen 4 O 338/00) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2005 verkündete Urteil des LG Halle, 4 O 338/00, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 2) lediglich als derzeit unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch jeden der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadenersatz vorzugsweise aus Amtshaftung, hilfsweise wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs im Hinblick auf die über mehrere Jahre andauernde Versagung einer Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. und eine hieraus resultierende Behinderung der Gewinnung von Kiessanden und Kiesen im Abbaugebiet P. in den Jahren 1994 bis 1999.
Die Klägerin betreibt gewerbsmäßig das Aufsuchen und Gewinnen von Kiesen und Kiessanden an verschiedenen Standorten im Kreisgebiet des Beklagten zu 1) und deren Verkauf als Bau- bzw. Bauzuschlagsstoffe. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erwarb u.a. auch das Bergwerkseigentum für mehrere Grundstücke im Gebiet zwischen P. und J. südlich von N. (künftig: Bergwerksfeld bzw. Abbaugebiet P.), darunter auch für die Grundstücke, auf denen sich das Wäldchen St. befand, sowie teilweise das Grundstückseigentum an diesen Flächen. Im Übrigen pachtete die Klägerin die Waldgrundstücke langfristig.
Das Bergwerksfeld P. wurde in einer Fläche von ca. 10 ha bereits seit 1977 als Bergbauschutzgebiet festgesetzt. Im Jahre 1985 erfolgte eine Erweiterung des Bergbauschutzgebietes auf 43,5 ha, mit seiner Aufschließung war bereits Ende der 80er Jahre begonnen worden. Das Bergwerksfeld wurde von den Rechtsvorgängerinnen der Klägerin und von der Klägerin selbst stetig erweitert.
Am 31.8.1992 ließ das Bergwerksamt Halle den Hauptbetriebsplan der Klägerin für dieses Bergwerksfeld bis zum 31.8.1994 zu; danach gehörte das etwa 4,6 ha große Wäldchen St. noch nicht zum unmittelbaren Abbaugebiet. In den Jahren 1992 und 1993 plante die Klägerin die Erweiterung ihres Abbaugebietes auf insgesamt 64,8 ha unter Einbeziehung des gesamten Wäldchens St. für die Jahre 1994 und 1995. In der Erarbeitungsphase des neuen Hauptbetriebsplanes fanden ständige Abstimmungsgespräche zwischen der Klägerin und den für Naturschutz und Forstwirtschaft zuständigen Behörden statt. Die Naturschutzbehörden des Landkreises und des Regierungspräsidiums forderten von der Klägerin die Vorlage eines landschaftspflegerischen Begleitplanes für Ausgleichsmaßnahmen, wobei bereits über Einzelheiten der Wiederaufforstung gesprochen und einzelne Ausgleichsmaßnahmen bereits begonnen wurden. Sie verlangten aber auch Nacherhebungen zur Fauna und Flora des Wäldchens St., "... um die Biotopstruktur des vom Abbau betroffenen Wäldchens und die ortsnahe Kompensation besser beurteilen zu können ..." (vgl. Niederschrift vom 10.5.1994 über die Beratung vom 5.5.1994 im RP Halle, Anlage K 20, GA Bd. II Bl. 138 ff. [139]). Der im Oktober 1993 im Auftrag der Klägerin von der H. GmbH (künftig: Landschaftspflegeplanerin der Klägerin) erstellte landschaftspflegerische Begleitplan zum Kiesabbau ging von einem hohen Biotopwert des Wäldchens St. mit Ausnahme einer jüngeren Fichtenschonung aus. Im Rahmen einer internen Abstimmung zwischen verschiedenen Fachbereichen des Regierungspräsidiums erklärte das Forstamt erstmals am 19.1.1994, dass das Wäldchen St. wegen seines hohen Biotopwertes unbedingt zu erhalten sei.
Am 20.1.1994 beantragte die Klägerin beim Beklagten zu 1) die Erteilung einer Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. im Hinblick auf die beabsichtigte Ausweitung des Kiesabbaugebietes. In ihrem Antrag beschrieb sie das Wäldchen St. als eine "forstliche Exklave in einem reinen Ackerbaugebiet mit allen Eigenschaften eines Feldgehölzes" (vgl. GA Bd. IV Bl. 152 ff. [161]). Diese Beschreibung ging zurück auf den Inhalt eines von der Klägerin eingeholten Waldwertgutachtens vom ...